Kapitel 1: Geldwäsche Anno Tubak

Der gute, alte Al Capone. Eine Gangster-Legende, reich geworden im Amerika der 1920er- und 1930er-Jahre. Er kontrollierte die Unterwelt und machte mit illegalem Glücksspiel, Prostitution, Schutzgelderpressung und Alkoholhandel sein Geld.

Sein Problem: Das Geld war “schmutzig”, stammte aus illegalen Operationen, und er suchte Wege, es wieder in den regulären Finanzkreislauf einzubringen.

Nun kommen wir zur Legende, die zwar wunderbar tönt, aber am Ende des Tages Quatsch ist: Al Capone, so die Sage, legt sein Geld in Waschsalons an, den „Laundromats“, wie sie im Englischen heißen. Capone, der angeblich nie ein Bankkonto hatte, habe so seine Einkünfte verschleiern können, indem er sie als Einnahmen aus den Waschsalons angab.

Weil die Story so toll tönt, wird sie noch heute als Ursprung der Geldwäsche kolportiert. Nur: Sie ist Bullshit. Damals gab es kaum Kontrollen wie wir sie heute kennen, und wenn jemand mit einem Packen Bargeld rumlief, war das kaum aufregend.

In Tat und Wahrheit entstand der Begriff schon vorher, aber in einem total legalen Umfeld: Anfangs 1900 realisierte die US-Regierung, dass ein Großteil der Banknoten, welche ihr zur Vernichtung von den Banken zurückgesandt wurden, nicht unbrauchbar waren, sondern lediglich dreckig. Die Rechnung daraufhin war einfach: 100 Noten zu drucken kostete $1.30, 100 verschmutzte Noten zu waschen schlug mit lediglich $0.30  zu Buche. Die Geldwäsche war geboren. Ganz legal.

Erst später kamen Gauner auf die Idee, ihre illegalen Schätze in den normalen Finanzkreislauf einzuspeisen und die Presse nannte es – weil es schließlich so catchy tönt – Geldwäsche.

Geldwäsche ist strafbar. Das Strafgesetzbuch stellt Geldwäsche in §261 StGB Abs. 1 mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren unter Strafe.

So teilt das Bundesministerium des Innern auf seiner Homepage mit. Damit Betrüger und Erpresser, Drogenhändler und sonstige Mitglieder der Unterwelt ihre Gewinne nicht mehr so leicht waschen können, wurden und werden weltweit zahlreiche Anstrengungen unternommen.

Dabei geht es um viel Geld.

Das “United Nations Office on Drugs and Crime” schätzt, dass zwischen zwei und fünf Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung jährlich gewaschen wird. Das sind zwischen 715 Milliarden und 1.87 Billionen Euro. Die Geldwäscher kassieren dabei ihre Margen und können ihre Operationen damit immer weiter ausbauen.

Staatliche Anstrengungen, Geldwäsche zu unterbinden, sind wohl da, allein: Bei der Durchsetzung hapert es bisweilen. Die Nachfolgenden Kapitel beleuchten einzelne Fälle und zeigen, wie die Geldwäsche international funktioniert.

Die Arbeit der Ermittlungsbehörden wird zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass Geldwäscher an einem einzigen Tag dermaßen viele Dokumente erstellen können, dass Ermittlungsbehörden weltweit über Jahre damit beschäftigt sind zu rekonstruieren, wie die Täter untereinander verbandelt sind, und wohin die Gelder geflossen sind.

Und: Geldwäscher mögen es kompliziert und vielfältig: Mal eine Masche in diesem Land, dann eine andere in einem anderen. Doch was vordergründig nichts miteinander zu tun hat, verbindet sich bei genauerem Beobachten zu einem großen Ganzen. Mit immer denselben Akteuren.

***

Sommerzeit – Ferienzeit. Und so mache ich mich jetzt in meiner warmen Hamburger Bude auf, einmal ein paar Fälle aufzugreifen. Und aufzuzeigen: Die Täter bewegen sich unter uns, unbehelligt.

P.S.: Und sollte jemand das Gefühl haben, ich hätte für meine paar Zeilen doch eine kleine Belohnung bedient: Bitcoin könnt ihr an folgende Adresse überweisen:

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Kapitel 2: Der Möchtegern-Schlossherr mit dem Kneipen-Pech

Der Italiener Vito Micoli hat es von ganz unten nach ganz oben geschafft! Er sitzt an der Spitze der “FiducInvest-Gruppe” zu Singapur, lächelt stolz in die Kamera, und auf seiner Homepage verkündet er:

“Unsere Expertise basiert auf langjähriger Erfahrung im Investmentbanking und Risikomanagement sowie in den Bereichen Steuern, Accounting, Revision, Unternehmensführung, Softwareengineering und Blockchain-Technologie, welche die Grundlage unserer Expertise bilden.”

Dabei ist Vito Micoli nicht eben das, was man sich unter einem erfolgreichen Geschäftsmann vorstellen würde:

  • 2001 war er Geschäftsleiter der schweizerischen Treuhandfirma “Buck Brunner Partner Treuhand AG“. Die Firma musste Konkurs anmelden.
  • Zuvor war er Aufsichtsratsvorsitzender der ebenfalls in der Schweiz beheimateten Firma “Fidamed”, die ein Datencenter betreiben wollte. Die Klitsche ging bankrott..
  • Das altehrwürdige Baseler Restaurant “Taverne Alsacienne” ging ebenfalls Konkurs. Aufsichtsrat war – richtig geraten! – Vito Micoli.

Kurzum: Der Mann scheint nicht dazu geeignet, fremder Leute Geld zu verwalten. Was immer er anfasste: Es ging den Bach runter.

Doch 2008 änderte sich alles, und es geschah Erstaunliches: Micoli kaufte in der notorischen Steuer- und Fluchtgeld-Oase Zug (Schweiz) einen leeren Firmenmantel und hob die “Tanniveld Finanzholding Schweiz AG” aus der Taufe.

CEO und Aufsichtsrats-Vorsitzender wurde der geschäftlich so überaus glücklose Vito Micoli.

Und tatsächlich: Die neue Firma hatte zunächst wenig Glück. So sollte sie schon zwei Jahre nach ihrer Gründung von Amtes wegen aufgelöst werden, ihr fehlte der gesetzlich vorgeschriebene Firmensitz. Gerüchte in der Zuger Finanzwelt besagen: Die Tanniveld war schlicht pleite, ihr mangelte es am Geld, um die jährlichen Treuhänder-Gebühren zu berappen.

Es schien, als ob Micoli den nächsten Konkurs herbei zaubere. Manchmal wurde sogar vergessen, die Gebühren für die simple Homepage zu bezahlen, und Besucher konnten nicht mehr sehen als die simple Mitteilung “Account suspended”.

Das war schade. Denn auf der protzigen Homepage wurde in der englischen Version großmundig fabuliert, dass die Firma seit 1995 aktiv sei, Micoli den Markt Deutschland und Schweiz abdecke und dafür 40 Jahre Erfahrung in “Buchhaltung, Buchhaltung [sic!],  Vermögensverwaltung, Treuhandgeschäften, Beratung und Beratung [sic!!] mitbringe.” Entsprechend beeindruckend las sich, was  Tanniveld anbiete:

  • Beteiligungen an Unternehmen.
  • Projektfinanzierungen
  • Finanzinstrumente
  • Maßgeschneiderte Anlagemöglichkeiten
  • Immobilien

Ergänzt wurde diese Palette- allerdings nur  in der englischsprachigen Version – um “Dealing and handling of precious metals”, wofür man auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen könne.

Am 11. Mai 2010 jedoch lösten die Behörden die Firma auf, was erst revidiert wurde, als die Tanniveld einen neuen Standort in den Büroräumlichkeiten einer Zuger Treuhandfirma fand.

Inzwischen befinden sich die Büros der angeblich weltweit agierenden Tanniveld bei der Firma “FI Advisory AG”, auch dies eine Gesellschaft, die aus einem leeren Firmenmantel zusammengebastelt wurde und unter Kontrolle von Vito Micoli steht.

So weit scheint sich hier alles um die in der Finanzhalbwelt üblichen Verstrickungen zu handeln. Wären da nicht zwei merkwürdige Ereignisse, die zeigen: Die Tanniveld und ihre Hintermänner sind nicht nur irgendwelche glücklosen Finanzjongleure, sondern tief im Sumpf der Geldwäsche und dubioser Geldgeschäfte beheimatet. Hier nur mal zwei Beispiele.

Ein kleines Haus mit Umschwung

Der Name ist putzig: “Restaurant Grüner Igel”. Der Gastbetrieb liegt in Birmensdorf, nur wenige Kilometer von Zürich entfernt, ein beliebter Ort für Soldaten einer naheliegenden Kaserne, um sich lecker zu verpflegen.

Das war nicht immer so. 2008 musste die “Grüner Igel GmbH” unter Leitung der Deutschen Sandra Mlodzik Konkurs anmelden.

Aber Mlodzik kam schnell an einem neuen Ort unter, wo man qua Vergangenheit viel Verständnis für sie aufbrachte: Sie wurde Aufsichtsrätin der Tanniveld. Dass sie gleichzeitig auch noch eine Praxis für “Stressmanagement und Achtsamkeitstherapie” betrieb, mag angesichts der geschäftlichen Holprigkeiten nur ein Bonus gewesen sein.

Ihr erster wichtiger Termin führte sie nach Deutschland. Dort liegt die kleine, spätbarocke Schlossanlage “Schloss Tannenfeld”. Die Namensgebung sticht ins Auge: Tannenfeld – Tanniveld.

Tatsächlich wurde das Schloss 1181 erstmals unter dem Namen Tanniveld urkundlich. Und nach zahlreichen Auf- und Abs stand das Anwesen nun zum Verkauf.

Zuvörderst in der Reihe der Bieter: Die Zuger “Tanniveld Finanzholding Schweiz AG”, vertreten von Pleite-Sandra. Die durfte damals nach einigen Geheimverhandlungen vor dem Thüringer Landtag die Schweizer Holding präsentieren, was, so erinnert sich ein Augenzeuge, “ein reichlich peinliches Unterfangen” war. Ziel der Tanniveld war es, das Schloss mit Umschwung und allem drum und dran zu erwerben. Eigentümer des Kleinods war damals der Landkreis, und der wollte, endlich, endlich, dass es renoviert und einer gesunden Nutzung zugeführt werde.

Daraufhin jedoch entwickelte sich ein eigentlicher Krimi. Andere Kaufinteressenten wurden als “zu unseriös” kaltgestellt, lediglich die dubiose Tanniveld sollte den Zuschlag erhalten. Dann drängte sich noch der umtriebige, in den Adel adoptierte Prinz Mario-Max Schaumburg-Lippe dazwischen und tat sein Interesse kund – ein Grund, Ihro Merkwürdigkeit Mario-Max als eigentlichen Hintermann der Tanniveld-Offerte zu vermuten.

Mario-Max erlangte dadurch traurige Berühmtheit, weil er sich in jedem Trash-TV-Format vor die Kamera drängt, mal ein “Reichtum Royal Elixier” für 99.95 Euro unter die Leute bringen wollte, bei dem “ein Sprühstoß genüge, und die Reichtumsenergie” zu vertausendfachen. Zu anderer Gelegenheit pries er sein  “Bloody Prince – Der Sexual-Duft” an sowie “Der Rebirther – Liebe ohne Abhängigkeit”. Dass Vorwürfe wegen sexueller Ausbeutung gegen ihn im Raum stehen zeigt, dass es mit der Wirksamkeit seiner Wunderwasser nicht weit her zu sein scheint. Dass er dann noch mit Engeln und allerlei anderem esoterischem Gesocks kommunizieren wollte: Geschenkt. Mit seiner ausufernden, geschäftstüchtigen Phantasie passte er, so gesehen, perfekt zu Micoli.

Dieser hatte mit seinen Kaufbemühungen indes wenig Fortüne.  Neun Jahre, nachdem die Tanniveld eigentlich einzige Bieterin hätte sein sollen, bekam die “Schloss- und Parkanlage Tannenfeld Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG” den Kaufzuschlag. Für magere 280’000 Euro.

Dass seither in Sachen Umbau praktisch nichts gelaufen ist, wäre eine andere Geschichte wert.

Geheimverhandlungen im Mafia-Land. Version 2.0

In Tourismus-Prospekten sieht Malta wie die Traumdestination schlechthin aus. Und: Nur 90 Minuten Fährenfahrt trennen die Insel vom italienischen Festland.

Das wissen auch italienische Mafiosi. Denn Malta ist das Land der  Buchhalter und Finanzoptimierer, die gerne Geld verstecken und waschen. Als das europäische Recherche-Netzwerk “European Investigative Collaborations” (EIC) hunderttausende Dokumente auswertete, stießen die Journalisten der italienischen Zeitung “L’Espresso” auf zahlreiche Namen, die in ihrer Heimat berüchtigt sind. Etwa Mario “Mariolino” Gennaro, Mafioso der mächtigen ‘Ndrangheta aus Kalabrien.

Doch wer in diesem Sumpf der mafiösen Verstrickungen zu tief gräbt, muss mit tödlichen Konsequenzen rechnen. So etwa die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia – sie starb durch eine Autobombe. Die Spuren der Täter führten bis in höchste Regierungskreise.

Nach ihrem Tod schlossen sich 17 Medien zum “Daphne-Projekt” zusammen, um die Arbeit der ermordeten Journalistin fortzusetzen. Die ermordete Caruana Galizia hatte geschrieben, dass Malta mit dem Bestreben, das Zentrum der europäischen Glücksspielindustrie zu werden, Missbrauch die Tür geöffnet habe. Italienische Ermittler können dies nur bestätigen. Seit mittlerweile einem Jahrzehnt sind sie mehreren Mafiaclans auf der Spur, die Maltas Glücksspielsektor für ihre Zwecke ausgenutzt haben sollen – zum Verdienen und Waschen riesiger Geldsummen, wie das Daphne-Projekt berichtet.

Kein Wunder also, dass der Italiener Vico Micoli sich inzwischen nach Malta abgesetzt hat, in die Geldwäsche-Hauptstadt der italienischen Mafia. Dort geht er weiterhin seinen Geschäften nach.

Und wie schon beim Schloss Tannenfeld glänzt er auch hier zunächst mit Geheimverhandlungen.

Doch bevor ich zu diesen komme, hier ein wenig Geschichtsunterricht, gesponsert von Wikipedia, der uns in eine andere Mafia-Hochburg führt:

Die Republika Srpska wurde am 9. Januar 1992 unter dem Namen Srpska Republika Bosna i Hercegovina ausgerufen und erhielt am 12. August 1992 ihren heutigen Namen. Mit dem Dayton-Friedensabkommen von 1995 wurde die Republika Srpska als eine von zwei Entitäten des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina anerkannt.

Im Abkommen von Dayton 1995 wurde die Republika Srpska mit 49 % des Territoriums der Republik Bosnien und Herzegowina als eine Entität des neu konstituierten Staates Bosnien und Herzegowina anerkannt. In dem Gebiet liegen Städte wie Srebrenica, Višegrad und Foča, deren bosniakische oder kroatische Bevölkerung vertrieben oder ermordet wurde. Die Wiederkehr der Vertriebenen ist unter anderem aufgrund des andauernden Nationalismus der Führung der Republika Srpska erschwert

Das alles tönt kompliziert. Ist es auch. Dabei gäbe es eine einfachere Umschreibung für die Republika Srpska. Sie wird in den Ohren europäischer Politiker nicht gerne gehört, beschreibt aber die Wahrheit: Republika Srpska ist ein gescheiterter Staat, kontrolliert von der Mafia.

Deshalb nochmal Wikipedia:

Die serbische Mafia ist die grösste Gruppe der organisierten Kriminalität in Bosnien & Herzegovina und operiert aus der Republik Sprska.

Die Organisationen sind vor allem in den Bereichen Schmuggel, Waffenhandel, Raubüberfälle, Drogenhandel, Schutzgelderpressung und illegales Glücksspiel tätig. Die Mafia setzt sich aus mehreren großen organisierten Gruppen zusammen, die ihrerseits über größere Netzwerke in ganz Europa verfügen.

Zu ihr gehören einige sehr erfolgreiche Gruppen, darunter eine der größten Kokainimportfirmen Europas, die “Groupa Amerika”, und die “YACS”-Gruppe aus New York City. Die “Pink Panthers” sind für einige der größten Raubüberfälle verantwortlich, die je begangen wurden.

Seit 2022 ist Milorad Dodik Präsident der Republik Srpska. Dieses Amt hatte er zuvor bereits von 2010 bis 2018 inne. Und Dodik ist bekannt als politischer Scharfmacher, Lügner, Betrüger, kurzum: Niemand, mit dem man gerne ein gemütliches Abendessen hätte.

2015, unter Dodik, war das Land in arge finanzieller Schräglage geraten. Es fehlte selbst das Geld, um Beamte zu bezahlen, und der Internationale Währungsfonds war in Verhandlungen über einen Kredit.

Doch Dodik platzte mit einer kleinen Sensation heraus: Er habe von der Firma “Global Bancorp Commodities and Investments, Inc.” in San Diego, USA, einen 300 Millionen-Kredit gesichert, rückzahlbar innerhalb von drei Jahren.

Die von ihm kontrollierten Jubelperser bei den staatlich kontrollierten Medien frohlockten. Global Bancorp, so verkündeten sie den staunenden LeserInnen, sei ein vielseitiges Unternehmen, tätig im Import-Export, Öl- und Erdgas-Handel, verfüge über ein innovatives Tourismus-Projekt für eine weltweite 5-Sterne-Hotel-Kette, Edelmetalle, Agrarprodukte… alles, was des Menschen Herz begehrt: Global Bancorp schien es zu haben.

Hinter der Firma in San Diego stand der Bulgare Alexander Vasilev, und Oppositionspolitiker spekulierten, dass die 300 Millionen russische Gelder dubioser Herkunft seien.

Die 300 Millionen kamen, doch für Quasi-Diktator Dodik war das nicht genug. Noch während Global Bancorp die letzten Tranchen des Kredites überwies, führte Dodik bereits neue Geheimverhandlungen für einen noch größeren Kredit: 350 bis 500 Millionen Euro sollten es diesmal sein. Und kein geringerer als Vito Micoli und seine Tanniveld sollten dieses Geld zur Verfügung stellen.

Konkret: Ein Kredit, 15 Jahre Laufzeit, drei Prozent Zinsen pro Jahr. Alles im Geheimen ausgehandelt, nachdem Vito Micoli angeblich über die österreichische Firma Ivicom Holding GmbH und deren italienischen Besitzer mit der Regierung der Republik Srpska in Kontakt gebracht worden sei. Nur: Einen italienischen Besitzer bei der Ivicom gibt es nicht, und Oppositionspolitiker listeten genüsslich die Vergangenheit der Tanniveld-Leute auf:

  • Vito Micoli: “Geschäftliches Fiasko” mit seinem Gastro-Betrieb
  • Mirco Patera: Konkurs mit der Patera Holding$
  • Ken Dejv: Auch er ein Konkursritter

Für lokale Politiker war die Quintessenz  dieser Geschäfte klar.

An einem sonnigen Frühlingsnachmittag sitze ich mit einer Politikerin zum Kaffee im Restaurant “Klopa” in Sarajevo. Sie hat eine dicke Mappe mit Dokumenten, übersetzt mir die Kernstücke, zeigt, was sie und ihre KollegInnen zusammengetragen haben. Schmutziges Geld lief über die USA zum Staat, wurde zurückbezahlt und somit gewaschen, wobei die Rückzahlung mit neuem, schmutzigen Geld geschah, welches über staatliche Stellen gewaschen wurde. “Vito Micoli und seine Tanniveld waren nichts anderes als ein Geldwäsche-Vehikel für Dodik und seine Kumpane der serbischen Mafia”, erklärt die Politikerin, schaut sich nervös um: “Das zu sagen kann hier ein Todesurteil sein”, flüstert sie mir zu und meint: “Die internationale Gemeinschaft interessiert sich doch nicht dafür, was hier passiert. Wir sind der Mafia ausgeliefert!”

Somit hatte Micoli es weit gebracht: Vom Kneipen-Pleitier zum staatlich zugelassenen Geldwäscher.

Immerhin: So ganz doll scheinen seine Geschäfte mit der Tanniveld nicht zu laufen: Seit über einem Jahr steht auf ihrer Homepage: “Under Construction”.

Das erinnert an das US-Unternehmen “Global Bancorp Commodities and Investments” mit seinen großartigen Ankündigungen internationaler Projekte: Seit 2018 lautet der Status des Unternehmens beim Firmenregister in den USA “inaktiv”, all die protzigen Träume für eine goldene Zukunft sind geplatzt.

Neuer Wein in alten Schläuchen

Aber wie zuvor schon erwähnt, schwebt Micoli heute in höheren Gefilden und leitet aus Malta heraus die Geschicke der “FiducInvest-Gruppe” in Singapur.

Zur Gruppe gehört auch die “FI Advisory AG”, von Micoli kontrolliert, Unterschlupf der Tanniveld – und leider auf der Homepage mit extrem wenig Informationen. Schade. Aber in einem der folgenden Kapitel wird gezeigt, dass dieses Unternehmen, welches inzwischen auch in Hamburg eine Niederlassung hat, direkt aus einer Geldwäsche-Organisation stammt.

Demnächst will die FiducInvest-Gruppe wachsen. Sie kündigt gleich drei Blockchain-Unternehmen an sowie eine Tochtergesellschaft, die mit künstlicher Intelligenz helfen soll, Investoren mehr Geld zu generieren.

Das wäre auch bitter nötig. Denn eine weitere Firma, die zwar ebenfalls erst mal gegründet werden soll, aber angeblioch trotzdem bereits einen Investment-Fonds lanciert hat, frohlockt in ihrer Broschüre, dass man für die Kunden im Jahr 2021 ganz wacker Geld verdient habe. Etwa mit dem Mining der Crypto-Währung “Ethereum”. Satte 69 Prozent Rendite habe dies eingefahren.

Wer also 100’000 Euro in das Investment-Modell von FiducInvest reinbutterte, hätte Ende Jahr 169’000 Euro in der Schatulle gehabt. Wer stattdessen am 1. Januar 2021 für 100’000 Euro Ethereum gekauft hätte, wäre Ende Jahr mit 490’568 Euro auf dem Konto davongezogen. Eine Rendite von 490 Prozent statt 69. Es scheint also, als ob Serien-Pleitier Micoli und seine Weggenossen tatsächlich künstliche Intelligenz nötig hätten.

 

 

Kapitel 3: Nobelpreis in Geldwäsche

Kann ich mich irren? Selbstverständlich. Schon mehr als einmal verfolgte ich als Redakteur eine Geldwäsche-Spur, die sich nach wochenlanger Recherche als falsch entpuppte.

Manchmal stößt man auf Protagonisten, die bis zur Halskrause im Geldwäsche-Geschäft stecken, dies seit Jahren, und es trotzdem geschafft haben, sich eine Reputation aufzubauen und mit ehrbaren Menschen zu umgeben, die aber offensichtlich bei ihren Mandaten nicht so genau hinschauen – oder aber gar nichts von ihrem Glück wissen.

Bei der Recherche zum Jordanier Nael Al-Khleifat erging es mir so: Kann das alles wahr sein?

Sie haben seinen Namen noch nie gehört? Dann halten Sie sich fest, wenn Sie nur schon seine Kurzbiographie lesen.

Gründer und CEO von Tally International Holdings, Inc. und Prudence Consulting Group, Ltd. sowie MD Titanium Capital LLC. Dr. Khleifat sitzt im Vorstand mehrerer Unternehmen, internationaler NGOs und nationaler Ausschüsse für Governance, Planung und Strategien. Er ist versiert in Finanzangelegenheiten, internationalem Wirtschaftsrecht, Projektmanagement und -umsetzung sowie kreativen Strategien.”

Diese Bio findet sich auf der Homepage der “American University of Europe” mit Sitz in Fujairah, Vereinigte Arabische Emirate. Dort sitzt Al-Khleifat im Kuratorium, wo sich auch weitere illustre Namen finden:

  • Prof. Dr. Werner Arber, Schweizer Nobelpreisträger, emeritierter Professor an der Universität Basel

  • Oscar Arias Sanchez, Friedensnobelpreisträger, ehemaliger Präsident von Costa Rica

  • Enrique Baron Crespo, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments und ehemaliger Minister der spanischen Regierung
  • Otaviano Canuto dos Santos Filho, geschäftsführender Direktor im Exekutivdirektorium der Weltbankgruppe, ehemaliger Exekutivdirektor des Internationalen Währungsfonds
  • Ramiro Cercos, ehemaliger Minister für öffentliche Arbeiten von Spanien

Und so geht es endlos weiter. Eine Berühmtheit nach der anderen, selbst Nelson Mandela taucht auf, kurz: Es entsteht der Eindruck, als ob Gott und die Welt sich hinter dieser Universität scharen.

Merkwürdig nur, dass die Schule mal eine Adresse in den Vereinigten Arabischen Emiraten angibt, das nächste Mal eine in New York, und auch die Tatsache, dass die zwei Homepages der Universität aussehen, als seien sie von jemandem zusammengebastelt, der zum ersten Mal in seinem Leben staunend vor dem Computer sitzt: Geschenkt! Es ist die Zeit der Superlative angesichts der illustren Namen darf hier nicht gezweifelt werden.

Oder vielleicht doch?

Schauen wir uns doch mal das weltumspannende Firmenimperium des Nael Al-Khleifat an. Da gibt es die “Gain Global Group, Ltd.”, eine Firma, die Al-Khleifat vergessen hat, in seiner Uni-Bio anzugeben. An anderer Stelle schreibt er, dass er diese Firma gegründet habe und ihr CEO sei. Auf ihrer Homepage prahlte die Firma, dass sie aus einer Gruppe von Fachleuten und Visionären bestünde, die ein gemeinsames Ziel verfolgten: die Schaffung von Werten mit Integrität, Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft für hervorragende Leistungen.

Faktencheck: Ja. Diese Firma gab es. Sie wurde am 13. Januar 2021 in London von Suleiman Al-Khleifat gegründet, der damals in der Türkei wohnte. Die Firma hatte ein stolzes Aktienkapital: 1 Britisches Pfund! Und die einzige Aktie gehörte dem Jordanier Ihsan Al-Khleifat. Tatsache ist auch: Schon knapp ein Jahr nach ihrer Gründung wurde die Firma aufgelöst, die Homepage verschwand. Fazit: Nur heiße Luft.

Aber dann gibt es doch die “Tally Holding”! Genauer: “Tally International Holdings, Inc.”. Khleifat wiederholt zu dieser Klitsche, was er schon bei der “Gain” fabulierte: “Tally International Holdings, Inc. wurde 1994 im USBundesstaat Delaware von einer Gruppe von Fachleuten und Visionären gegründet, die ein gemeinsames Ziel verfolgten: den Aufbau von Werten mit Integrität, Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft für hervorragende Leistungen.”

Faktencheck: Die Firma wurde tatsächlich 1994 in Delaware gegründet. Gemäss LinkedIn hat sie eine einzige Mitarbeiterin – wahrscheinlich ist die Sekretärin jener Treuhandfirma gemeint, welche für “Tally” das Telefon abnimmt und keine Ahnung von den Aktivitäten der Firma hat. Die Firma hat keine Homepage, keine Aktivitäten, nichts. Auch hier: Nix außer heißer Luft.

Zum Glück gibt es eine weitere Firma, welche Al-Khleifat vergessen hat zu erwähnen: Die “Titanium Capital LLC”. Und zu der heisst es auf der Firmenhomepage:

“Titanium Capital LLC ist eine Tochtergesellschaft von Titanium Capital PTE, einer Multi-Channel-Investment- und Finanzgruppe mit einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz.

Die Erfolgsgeschichte des Fonds Titanium Capital LLC begann mit einem verwalteten Vermögen von über 20 Mio. USD und wuchs weiter. Titanium Capital PTE verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung und Verwaltung von leistungsstarken Anlageprodukten, die sicher und für mittel- bis langfristige Anlagen konzipiert sind.

Titanium Capital PTE ist Teil einer milliardenschweren Holdinggesellschaft, die Investitions- und Finanzierungsstrukturen für eine Reihe von Branchen anbietet, darunter Infrastruktur, Krankenhäuser und Energieprojekte, um nur einige zu nennen. Die unternehmensübergreifende Eigentümerschaft gibt dem Investor Sicherheit und Gewissheit über seine Investition.

Gründer der Firma sei ein Dr. Henry Abdo, Al-Khleifa amte als Chief Strategy Officer der “Titanium Capital Group”. Im Beratungsausschuss finden sich dann all jene illustren Namen, die auch schon bei der merkwürdigen Uni zu finden waren: Politiker, Nobelpreisträger, würdige Personen aus der ganzen Welt.

Im Internet wirds dann unübersichtlich:

  • Die “Titanium Capital Pte Ltd.” betreibt eine Homepage, auf welcher zahllose Infrastruktur-Projekte aufgelistet sind, welche die Firma realisiert habe. Ein Großteil davon in Neapel, Italien. Nael Al-Khleifat wird als für Jordanien zuständig aufgelistet.
  • Die Tochtergesellschaft “Titanium Capital LLC” taucht gleich mit zwei total unterschiedlichen Homepages auf.
    • Auf einer Seite preist sich die Firma für die Einrichtung von Kreditkarten-Zahlungen an: “Kreditkartenverarbeitung online, persönlich oder über Ihr mobiles Gerät.” Was die Firma genau macht? Das wird nicht kommuniziert. Man solle sich einfach mal kurz bei Henry Abdo melden. Der berate einen dann, wenn man zum Beispiel seine Hypothek nicht mehr zahlen könne.
    • Auf einer weiteren Seite preist diese winzige,  windige Finanzbude ihren eigenen Investment-Fonds an und verspricht jährliche Renditen von 15%. Mit Rückzahlungsgarantie.

Faktencheck: Die Titanium Capital LLC wurde tatsächlich am 8. Januar 2014 von Henry Abdo in Florida gegründet. Neben ihm ist die Treuhänderin Sharon Hyder im Firmenregister aufgelistet.

Die Muttergesellschaft der “Titanium Capital LLC”, die “Titanium Capital Pte Ltd” mit Sitz auf den British Virgin Islands taucht in den Offshore-Leaks auf. Abdo, damals wohnhaft in Kuwait, hatte die Firma gegründet.

Doch nicht nur die beiden Firmen, auch den Investment-Fonds gibt es. Der ist sogar seit 2015 bei der SEC registriert.

Im Klartext: Die Mutterfirma auf den British Virgin Islands baut irgendwelche Infrastrukturprojekte. Die Tochtergesellschaft macht Schuldenberatung und betreibt einen Investment-Fonds mit garantierten 25% Profit.

Wer jetzt vor Schreck noch nicht im Kreis hüpft, darf sich entspannt zurücklehnen und die Fakten zur nächsten Al-Khleifat-Firma lesen: Prudence Consulting Group, Ltd. Sie wurde schon weitere oben kurz in Al-Khleifats Biographie erwähnt.

Die Prudence Consulting Group LTD wurde im Jahr 2000 von einer Gruppe von Fachleuten und Visionären gegründet, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: mit Integrität, Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft für hervorragende Leistungen Werte zu schaffen.

Prudence ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Tally International Holdings, Inc, einem 1994 in den USA unter der Nummer 2404281 gegründeten Unternehmen, das verschiedene Aufgaben in Europa, Afrika, Asien, dem Nahen Osten und darüber hinaus wahrnimmt.

So plärrt es einem von der Homepage entgegen, die – leider, leider – nach Beginn meiner Recherche vom Netz verschwunden ist. Archive.org sei Dank kann man sie heute trotzdem noch finden.

Weiter heißt es auf der Homepage:

Im Laufe der Jahre hat PRUDENCE hervorragende Beziehungen zu Finanzinstituten, multinationalen Konzernen, Think Tanks, NRO und lokalen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen aufgebaut.

Die Partner – drei an der Zahl – werden sogleich im Bild vorgestellt:

Und weil man schließlich international ausgerichtet ist, kann man Adressen in London, Zürich und Nordkorea präsentieren.

Also, machen wir uns auf zum Faktencheck!

Wie schon die “Gain Global Group, Ltd.” wurde die “Prudence Consulting Group” mit einem Aktienkapital von einem britischen Pfund gegründet. Allerdings nicht im Jahr 2000, sondern 2020. Und wie die “Gain” gründete Suleiman Al-Khleifat die Firma, die einzige Aktie gehörte dem Jordanier Ihsan Al-Khleifat. Etwas mehr als ein Jahr nach ihrer Gründung wurde die Firma aufgelöst.

Dann die Adressen: In Zürich soll die Firma angeblich im mondänen Prime Tower residieren. Falls dem so wäre: Es lässt sich dort keine Spur finden, niemand kennt die Klitsche.

Noch lustiger wird es, wenn man die Partnerschaften der “Prudence Consulting” näher betrachtet.

Dalipi Holding:

Vor dieser Firma warnt die Schweizer Finanzmarktaufsicht auf ihrer Warnliste, da sie keinen Handelsregister-Eintrag besitze. Kurz: Sie existiert nicht. Eine Adresse, die sie mal angibt, führt zum Züricher Prime-Tower, wo auch die “Prudence Consulting” angeblich eine Niederlassung habe. Eine andere Adresse führt nach Dubai, zudem wird auf der Homepage von einem Firmensitz in Zug geschwafelt – alles Lüge.

SDDC Swiss Diamond Dealers Club:

Den “SDDC Swiss Diamond Dealers Club” – wer hätte es geahnt – gibt es nicht, weder als eingetragene Firma noch als Verein. Lediglich auf Twitter und Instagram war dieser “Club” aktiv. Immerhin konnte von Geschädigten eine Adresse ausfindig gemacht werden: Leutschenbachstrasse 95 in Zürich. Deutsche Verbraucherschützer warnen: “Die Leutschenbachstrasse 95 ist eine bekannte Adresse, die in der Vergangenheit oft missbraucht wurde.” Kein Wunder. Denn es wird noch schöner…

Trade Block London:

Hier haben wir ein deja vu: Wie bei der Dalipi Holding warnt die Schweizer Finanzmarktaufsicht vor dieser Firma, die ihren Sitz in London hat. Kein Wunder. Denn die “Trade Block London” ist weder eine Crypto-Bank noch eine Firma, der man auch nur einen einzigen Cent anvertrauen sollte.

Firmengründer: Ram Dalipi, der mal vorgibt, in Dubai zu leben, mal sonst irgendwo im nordafrikanischen Raum. Die einzige tatsächlich existierende Adresse für ihn, die ich finden konnte: Florastrasse im französischsprachigen Teil der Schweiz, in Bienne. Immerhin wissen wir jetzt, wer die ominöse “Dalipi Holding” sein soll: Der Betrüger Ram Dalipi.

Die „Trade Block London“ – ihre Homepage ist nicht mehr zugänglich – wollte einen Bitcoin-Handelsplatz eröffnen. Einer ihrer Partner war, wen erstaunt es, der „Swiss Diamond Dealers Club“, den es nicht gibt. Ein anderer Partner: „Prudence Consulting“. Über ihre Homepage wollte TBL ebenso Diamanten verkaufen wie Luxuskarossen, Liegenschaften, schlicht alles, was sich zu Geld machen lässt. Potentielle Käufer sollten in Bitcoin zahlen.

Zumindest im Diamantenbusiness scheint Ram Dalipi seit Jahren tätig und berüchtigt zu sein. Ehemalige Geschäftspartner kommentieren sein Verhalten so:

  • “Macht nichts außer Lügen.”
  • “Ein professioneller Lügner und Betrüger.”
  • “Er betrog mich um drei Monate Mietkaution. Ein Betrüger.”
  • “Er kann nichts und hat nichts, außer das Geld vom Sozialamt hier in Biel! Mietbetrug, und Sachbeschädigung.”

Er soll überaus gewalttätig sein und ab und an auch mal mit Fäusten statt Worten sprechen.

Fazit: Jedes einzelne Geschäft von Naem Al-Khleifat stinkt nach Betrug und Geldwäsche. Wer auch nur in seine Nähe kommt, sollte sein Geld in die Hand nehmen und so schnell davon rennen als möglich.

Oder vielleicht doch nicht?

Denn da gibt es noch eine andere US-kanadische Firma, die er repräsentiert: “Advanced Warning Systems”. Dahinter steckt Jacques Bouchard, der behauptet, mit AWS eine revolutionäre Scan-Technik für Schiffe und Landfahrzeuge anzubieten, die führend in der Terrorbekämpfung sei. Eine Firma also, die sich voll und ganz der Sicherheit verschrieben hat.

Denkt man.

Bis man anfängt über Bouchard zu lesen. Weil es so vergnüglich ist, hier eine Zusammenfassung eines Artikels, welcher in der kanadischen Zeitung “National Post” erschienen ist. Die Vergangenheit, so scheint es, wiederholt sich:

Vielleicht handelt es sich wirklich um eine weltverändernde Technologie“, mit der Terroranschläge vereitelt werden können. Vielleicht zieht sie wirklich die Aufmerksamkeit afrikanischer Regierungen und des saudischen Königshauses auf sich – und möglicherweise Hunderte von Millionen Dollar -, wie einige Leute hinter dem Privatunternehmen behaupten.

Das in Memphis, Tennessee, ansässige Unternehmen Container Scan Holdings LLC hat die Vermarktungsrechte für ein System, das nach eigenen Angaben große Schiffscontainer in Sekundenschnelle auf Sprengstoffe und andere gefährliche Stoffe untersuchen kann. Dieses in puncto Raffinesse und Effizienz unübertroffene Scangerät könnte die Sicherheit in See- und Landhäfen verbessern – so wird es zumindest angepriesen.

Vielleicht ist es nur ein Hype. Container Scan wurde von einem Anwalt aus Memphis gegründet, der wegen seiner Rolle in einem nicht damit zusammenhängenden 10-Millionen-Dollar-Ponzi-Schema ins Bundesgefängnis geschickt wurde, und wird von ihm hinter den Kulissen verwaltet. Zu den größten Investoren und Anhängern des Unternehmens gehört ein Arzt für Haartransplantationen aus Arkansas, der behauptet, mit der saudi-arabischen Königsfamilie “an der Spitze” eng verbunden zu sein.

Und bis vor kurzem bevor die Klagen und bitteren Anschuldigungen aufkamen war der Anwalt Jacques Bouchard Jr. aus Montreal der wichtigste Förderer und Berater des Unternehmens.

Bouchard, der in kanadischen Juristenkreisen für seine Beziehungen zu Despoten aus der Dritten Welt und zum ehemaligen Premierminister Jean Chrétien berüchtigt ist, geriet erstmals vor fünf Jahren in die Schlagzeilen, als die National Post enthüllte, dass er im Namen eines Lobbyisten aus Montreal einen Vertrag unterzeichnet hatte, in dem er versprach, “mindestens” ein Dutzend russische Kampfhubschrauber in die vom Krieg zerrissene Zentralafrikanische Republik zu liefern.

Insidern zufolge trug dies zu einer Vertrauenskrise in der renommierten Anwaltskanzlei Heenan Blaikie bei, in der Bouchard und Chrétien mehrere Jahre lang zusammenarbeiteten. Vor zwei Jahren sagte Bouchard, er habe von den Seniorpartnern der Kanzlei die offizielle Genehmigung erhalten, an “Möglichkeiten mit der Russischen Föderation und einigen afrikanischen Ländern” zu arbeiten, und er habe einfach “ihre Anweisungen befolgt”. Die Kanzlei mit 500 Anwälten und Niederlassungen in ganz Kanada wurde 2014 inmitten von Streitigkeiten und finanziellen Schwierigkeiten aufgelöst.

Chrétien wechselte zu einer neuen Firma, während Bouchard sich bereits mit der obskuren und geheimnisvollen Firma Container Scan zusammengetan hatte, wo er als vertraglich verpflichteter “Berater für internationale Entwicklung” tätig war. Manchmal – zum Beispiel in angeblichen Verträgen und in Briefen an Investoren – bezeichnete er sich als Geschäftsführer des Unternehmens.

Wie auch immer sein Titel lautete, Bouchards Rolle war klar: Er sollte ausgiebig reisen und seine Kontakte im Ausland nutzen, um Kunden und Investitionen für das Unternehmen zu gewinnen. Von Ende 2013 bis vor ein paar Wochen erhielt er jeden Monat 25.000 Dollar plus Spesen.

Laut einer Klage, die am 2. März 2016 beim Tennessee Chancery Court eingereicht wurde, lieferte Bouchard kaum mehr als “Halbheiten, Ausreden und Ephemera”. In der Klage, die von einem Container-Scan-Direktor und Investor namens Daniel Pool eingereicht wurde, wird Bouchard außerdem beschuldigt, das Unternehmen betrogen und versucht zu haben, dessen Vermarktungsrechte für das Container-Scanning-System zu “stehlen”.

Er habe wissentlich gefälschte Dokumente verwendet, um sich Geschäftsmöglichkeiten mit ausländischen Beamten zu sichern“, heißt es in den Anschuldigungen, die vor Gericht nicht bewiesen wurden und die Bouchard bestreitet.

Was aber niemand bestreitet: Vor fünf Monaten, vor der Klage und den Turbulenzen, begrüßte Bouchard eine illustre neue Person im “Beirat” des Unternehmens – den ehemaligen Heenan-Blaikie-Kollegen Pierre Marc Johnson.

Als ehemaliger Vorsitzender der Parti Québécois war Johnson 1985 kurzzeitig Premierminister von Québec. Derzeit ist er Chefunterhändler der Regierung von Québec für das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union.

“Herr Johnsons umfangreiches Wissen und seine Erfahrung werden für Container Scan von großem Nutzen sein, und wir fühlen uns geehrt, ihn an Bord zu haben”, schwärmte Bouchard in einem Schreiben, das im Dezember an die Investoren verschickt wurde. Johnson ist nicht finanziell an dem Unternehmen beteiligt.

Dem Beirat von Container Scan gehören eine Reihe weiterer Persönlichkeiten an, darunter J.C. Watts, ein ehemaliger Quarterback der Canadian Football League und US-Kongressabgeordneter. Nach Angaben des Unternehmens erwog Watts im vergangenen Jahr ein Angebot, Präsident von Container Scan zu werden, lehnte aber ab, nachdem ein Treffen in Memphis schlecht verlaufen war.

Bouchard war nicht glücklich über die Aussicht, Watts Bericht erstatten zu müssen und zu sehen, wie die Kontrolle über das Unternehmen auf Watts und Pool übergeht, behaupten Quellen. Sie verweisen auf E-Mails, die Bouchard angeblich an andere Insider des Unternehmens geschickt hat, darunter auch an dessen Gründer Louis Hamric. “Ich habe Ihnen gesagt, dass ich mich nicht vor ihnen verantworten will”, heißt es in einer E-Mail, die Bouchard im November an Hamric geschrieben haben soll. Die E-Mail wurde den Investoren des Unternehmens bei einem Treffen im letzten Monat in Memphis mitgeteilt.

James Lee Witt, ehemaliger Direktor der Federal Emergency Management Agency (FEMA), ist ein weiteres Mitglied des Container Scan-Beirats. Der pensionierte US-Armeegeneral und Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei von 2004, Wesley Clark, war ebenfalls ein Berater, bis er irgendwann im letzten Jahr aus dem Gremium austrat. Über einen Sprecher in Washington wollte Clark nicht erklären, warum oder wann er zurückgetreten ist. Weder Clark noch Witt oder Watts waren mit einem Interview für diese Geschichte einverstanden.

Im Februar schickte Bouchard eine weitere aufmunternde Nachricht an die Investoren, einen “Statusbericht”, in dem er behauptete, es gebe “unterzeichnete Verträge” mit den Regierungen von Vietnam und Somalia. Diese Verträge würden dem Unternehmen zweistellige Millionenbeträge einbringen, versprach er. Auch in der Republik Kongo, der Demokratischen Republik Kongo, Guinea und Ghana bestünden “unmittelbare Möglichkeiten”, schrieb Bouchard.

Alles, was nötig war, um die Geschäfte abzuschließen und das Geld fließen zu lassen, war die Lieferung der gepriesenen Scan-Maschinen von Container Scan, fügt er hinzu.

Aber es gab damals keine Maschinen, die man den Kunden hätte schicken können, und es gibt sie auch jetzt nicht. Es gibt nur einen einzigen Scanner-Prototyp, etwa so groß wie zwei Kleinwagen. Er ist in einem “Labor” im ländlichen Tennessee eingeschlossen, zusammen mit einem Computer und einem Drucker, der Grafiken und Diagramme für potenzielle neue Investoren ausspuckt, die zur Vorführung der Scanner kommen.

Für manche mag das beeindruckend aussehen, sagt ein Insider. Der Prototyp hat offenbar bestimmte Schmuggelware oder gefährliche Materialien identifiziert. “Aber”, so fügte dieselbe Quelle hinzu, “ich kann Ihnen nicht sagen, ob es ein funktionierendes Gerät war.”

Bouchard hörte vor einigen Wochen auf, für Container Scan zu arbeiten, etwa zu der Zeit, als Pools Klage gegen ihn und mehrere Mitangeklagte bei einem Gericht in Tennessee eingereicht wurde. Ende März reichte er eine Antwort auf die Klage ein, in der er alle Vorwürfe bestritt.

In einer Gegenklage behauptet Bouchard, Pool und zwei weitere Personen hätten ihn verleumdet und ihm “den Verlust seines guten Namens, seines Rufs und seines guten Rufs zugefügt”. Er weist darauf hin, dass er “seit vielen Jahren Beziehungen zu ausländischen Staatsoberhäuptern pflegt und früher mit dem ehemaligen kanadischen Premierminister Jean Chrétien zusammengearbeitet hat”.

Verweise auf Bouchards Beziehung zu Chrétien waren bei Unternehmenssitzungen häufig zu hören, erinnern sich Container Scan-Insider und Investoren. “Bouchards Beziehung zu Chrétien war ein wichtiger Teil seines Lebenslaufs”, sagt eine Person, die weder beteiligt ist noch in den Gerichtsakten genannt wird. “Zuerst waren wir begeistert (Bouchard auf der Gehaltsliste zu haben). Wir hatten das Gefühl, dass wir uns zurücklehnen und darauf warten würden, dass das Geld reinkommt.

Stattdessen ging das Geld zur Tür hinaus. Millionen von Dollar, die von privaten Investoren aufgebracht wurden, wurden für den Versuch ausgegeben, neue Kunden zu gewinnen, und Anfang 2016 war das Unternehmen Insidern zufolge finanziell am Ende. Die Leute fingen an, ihren jetsettenden internationalen Berater genauer unter die Lupe zu nehmen – und seine Vergangenheit.

Obwohl Bouchard sich bemühte, seinen Ruf zu bereinigen – er beauftragte 2014 und 2015 Internet-Beratungsunternehmen für deren Online-Reputationsmanagementdienste und schickte die Rechnungen an Container Scan – konnte er nicht alles auslöschen. “Das Desaster”, so ein Investor, “scheint ihn zu verfolgen.”

Im Jahr 2012, ein Jahr nach seinem Rücktritt bei Heenan Blaikie, bekannte sich Bouchard vor der Anwaltskammer von Québec schuldig, sieben Disziplinarverstöße begangen zu haben, die mit seiner Arbeit bei einer anderen Anwaltskanzlei in Montreal zusammenhängen.

Danach wurde er mit der World Sports Alliance (WSA) in Verbindung gebracht, einer seltsamen Organisation, die sich selbst als “öffentlich-private Partnerschaft zur Unterstützung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen” bezeichnet. Sie wurde von Alain Lemieux geleitet, einem Kunstrasen-Impresario aus Sherbrooke, Queens, der in der WSA-Literatur als “Seine Exzellenz Botschafter” bezeichnet wurde.

Das WSA hatte keine offizielle UN-Zugehörigkeit, und Lemieux war kein Botschafter. Aber er hatte Ambitionen in Afrika und engagierte Bouchard, um dem WSA bei der Suche nach Geschäftsmöglichkeiten auf dem Kontinent zu helfen, einschließlich des Diamanten- und Nickelabbaus.

Bevor die Beziehung zwischen Bouchard und Lemieux 2013 in die Brüche ging, trafen sie sich mit Container Scan, um eine mögliche Geschäftsvereinbarung zu besprechen. Offenbar gefiel Bouchard, was er in Memphis sah. Er verließ die WSA und unterschrieb bei dem amerikanischen Unternehmen.

Stattdessen stellte er mehrere junge Männer ein, die gerade ihr Studium abgeschlossen hatten, um als leitende Angestellte von Container Scan zu fungieren; keiner von ihnen hatte irgendeinen Hintergrund oder technisches Fachwissen im Bereich der Scantechnologie. Hamric war großzügig mit seinen frischgebackenen Rekruten. Er kaufte ihnen maßgeschneiderte Anzüge und goldene Manschettenknöpfe als Willkommensgeschenke. Von ihnen wurde erwartet, dass sie sich als konservative Geschäftsleute präsentierten.

Ein Investor von Container Scan erklärte der National Post, warum Hamric in der Chefetage offenbar die Jugend der Erfahrung vorzog: “Junge Leute stellen nicht viele Fragen”.

Nicht jeder war begeistert, als Bouchard 2013 an Bord kam. Er war ein krasser Außenseiter, der bei einigen Leuten für Unmut sorgte. Sein monatliches Honorar von 25.000 Dollar war höher als das aller anderen Mitarbeiter des Unternehmens, und seine Reisekosten waren “extravagant”, wie ein Insider sagte.

Hamric starb im Januar nach längerer Krankheit und löste damit eine Nachfolgeschlacht bei Container Scan aus.

Bouchards selektiver Gebrauch des CEO-Titels vor und nach Hamrics Tod sorgte bei einigen für Verwirrung. Es war nicht allen klar, warum er sich selbst als Chef des Unternehmens darstellte, obwohl er es nicht war. Ein Anwalt, der Bouchard vertrat, erklärte diese Woche, dass sein Mandant “ein unabhängiger Unternehmer war. Er war befugt, den Titel CEO in einer begrenzten Kapazität und zur Glaubwürdigkeit im Umgang mit Parteien im Namen von Container Scan zu verwenden”.

Bouchard hat einem Interview für diese Geschichte nicht zugestimmt, aber er hat einige Fragen, die ihm die National Post per E-Mail gestellt hat, bereits beantwortet. Auf die Frage im letzten Jahr, ob er mit Hamric in Verbindung stehe oder zusammenarbeite, antwortete Bouchard mit “Nein”.

Firmeninsider halten das für absurd, da die beiden Männer häufig zusammen fotografiert wurden. Gelegentlich reisten sie auch gemeinsam.

Eine von Bouchards seltsamen Geschäften im Namen des Unternehmens betraf einen mysteriösen saudischen Geschäftsmann namens Dr. Abdalelah al Hammadi. Laut der gegen ihn eingereichten Klage unterzeichnete Bouchard 2014 ein “angebliches Joint Venture” mit dem wohlhabenden Saudi, der Container Scan 2 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen sollte, mit denen das Unternehmen “den Bau von Scannern finanzieren” sollte.

Der Haken an der Sache: Container Scan sollte al Hammadi und einem Partner “Abschlusskosten” in Höhe von 500.000 US-Dollar im Voraus zahlen, so die Gerichtsunterlagen. Eine weitere merkwürdige Bedingung war, dass “alle Reisekosten in der Business-Klasse, 4-Sterne-Hotels, alle Mahlzeiten und Hoteldienstleistungen durch ein offenes Gutscheinsystem bezahlt werden”, wie es in einem von Bouchard und al Hammadis Partner paraphierten und unterzeichneten Dokument heißt. Das Dokument ist der Beschwerde als Beweisstück beigefügt.

Einer der jungen Führungskräfte von Container Scan untersuchte die beiden angeblichen Investoren “und stellte fest, dass es sich um Betrüger handelte”, heißt es in der Beschwerde. “Obwohl es sich dem Anschein nach um einen Vorschussbetrug eines afrikanischen Prinzen handelte, unterzeichnete Herr Bouchard die Vereinbarung.

Die Vereinbarung wurde nie ausgeführt. Es ist nicht klar, ob Al Hammadi überhaupt existiert. Die National Post fragte Bouchard diese Woche, ob er al Hammadi jemals getroffen habe; er antwortete nicht auf die Frage, ebenso wenig wie sein Rechtsbeistand. Der Anwalt stellte fest, dass “weder Dr. al Hammadi noch sonst jemandem jemals Geld zur Verfügung gestellt oder geschickt wurde. Wir sind der Ansicht, dass diese Elemente in der Klage als irrelevant und zur Sensation gedacht dargestellt wurden”.

In der Klage von Pool wird weiter behauptet, dass Bouchard und zwei andere Container Scan-Investoren in jüngerer Zeit “sich verschworen haben, die (Scanner-)Technologie durch und über ein anderes Unternehmen zu vermarkten”. Bouchard hat dies ebenso wie seine Mitangeklagten bestritten.

In dem Bemühen, reinen Tisch zu machen und weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, trafen sich einige der 112 Investoren des Unternehmens Ende letzten Monats in einem Hotel in Memphis – ein Treffen, das auf Video aufgezeichnet und auf YouTube veröffentlicht wurde. Bouchard war nicht anwesend. Es kam zu einigen Auseinandersetzungen und Geschrei, und mindestens ein Investor stürmte fluchend aus dem Sitzungssaal.
Der Arzt für Haartransplantationen aus Arkansas, Dow Stough, von dem die Anwesenden erfuhren, dass er mehr als 300.000 US-Dollar in Container Scan investiert hat, übernahm das Podium. Er sagte, er habe die “weltverändernde Technologie” des Unternehmens persönlich in Saudi-Arabien vorgestellt, und zwar “dem König selbst”.

Stough sagte, sein Ziel sei es gewesen, “mit dem Königreich Saudi-Arabien voranzukommen und ihnen einen Scanner zu verkaufen”. Aber das Unternehmen sei “in interne Streitigkeiten verwickelt”.

Aus dem hinteren Teil des Sitzungssaals war ein weiterer Investor zu hören, der sich beschwerte. “Ich habe zwei Kriege mitgemacht und noch nie so einen Mist erlebt”, beschwerte er sich. “Ihr müsst euch alle zusammenreißen und eine Lösung finden. Ihr hört euch an wie ein Haufen Drittklässler.”

Die Sitzung endete damit, dass die Mehrheit beschloss, Pools Klage gegen Bouchard und die anderen Angeklagten nicht zu unterstützen. Aber der Fall wird trotzdem weiterverfolgt; ein Gerichtstermin ist für den 3. Mai angesetzt.

Zurück in Montreal sagte Johnson unterdessen, er habe gehört, dass Container Scan in Aufruhr sei. Ihm ist bekannt, dass der Gründer Hamric im Januar verstorben ist, aber er sagte, er habe nichts von der kriminellen Vergangenheit des Mannes gewusst, bis die National Post ihn letzte Woche darauf aufmerksam gemacht habe.

“Ich bin seit einigen Monaten Mitglied des Beirats dieser Gruppe, und ja, ich bin mir bewusst, dass es Spannungen zwischen einigen der Aktionäre gibt”, fügte Johnson hinzu.

Auf die Frage nach seiner Beziehung zu Jacques Bouchard sagte Johnson, er habe “genug davon”, und legte auf.

Kapitel 4: Schönheit schützt vor Strafe nicht

Zeitreise. Gehen wir zurück ins Jahr 2005. Gehen wir ins sonnige Spanien. Gehen wir zu den Schönen und Reichen. Gehen wir zu … César Arévalo.

Nie gehört?`Aber Hallo! Immerhin wurde er 2005 zum „Mister Sevilla“ gekrönt und erreichte, ein Jahr später, den 2. Platz bei den „Mister Spanien“-Wahlen. Damit nicht genug. Er flirtete und begattete in Spanien nationale Schönheiten, bevor er sich dann aus dem Show-Business zurückzog. Denn für ihn lag fortan das Geld auf der Straße. Buchstäblich.

So kaufte er sich Baugerät und schwere Straßenbau-Maschinen, die er angeblich in den Sudan vermietete. Damit, so frohlockte er in der Presse, verdiene er gutes Geld.

Hut ab! Denn der Sudan ist nicht eben das Land, wo man sich zur Begrüßung Champagner und Kaviar-Häppchen reicht. Im “Organized Crime Index” steht der Sudan auf Platz 8 aller afrikanischen Nationen. Menschen- und Waffenhandel stehen ganz oben auf der Liste der Verbrechen, dazu kommt der Handel mit Cannabis. Im Kriminalitäts-Index heißt es dazu:

Der Sudan ist einer der größten Cannabisproduzenten in Afrika. Im Jahr 2015 hat der Cannabisanbau im Sudan mehr als 7 Milliarden USD an Gewinnen erwirtschaftet.

Sudan dient als Transitland für Kokain, das aus südamerikanischen Ursprungsländern auf die Arabische Halbinsel geschmuggelt wird.

Ausländische Akteure, vor allem Libyer, arbeiten mit sudanesischen Menschenhändlern zusammen und schleusen die Opfer nach Europa.

Aber César Arévalo wollte nicht nur im Sudan Geld verdienen. Er investierte, so ganz nebenbei, erfolgreich in Liegenschaften und Hotels, die er gleich wieder verkaufte.

Doch am meisten Geld soll er mit dem Aufbau eines Tankstellen-Netzwerkes gescheffelt haben. In einem Interview mit der Zeitschrift „ABC de Sevilla“ erklärte er sein Geschäftsmodell so: Unter dem Namen „Easy Fuel“ werden Tankstellen gebaut, welche das Benzin günstiger als die Konkurrenz verkaufen.

Einige seiner Tankstellen verkaufte er an BP oder Repsol, andere wurden als Franchise-Unternehmen betrieben. Insgesamt, so Arévalo, verdiene er mit diesem Modell ein paar Millionen pro Jahr. Denn jeder Franchise-Nehmer musste ihm pro verkauften Liter einen Cent abliefern. Nochmal: Hut ab. Da will er also ein paar Milliarden Liter Benzin verkauft haben, um seine Millionen zu scheffeln.

Nur um das zu verstehen: Eine große Tankstelle verkauft etwa zehn Millionen Liter Sprit im Jahr. Die normale Marge wäre rund elf Cent. Will man das Benzin – so, wie Arévalo, günstiger unter die Leute bringen, sinkt die Marge eines Tankstellenbetreibers massiv – vor allem, wenn Arévalo dann noch einen Cent abzwackt.

Arévalo hätte dann pro Tankstelle rund 100’000 Euro kassiert. Nicht schlecht. Aber davon gehen dann seine Spesen weg, pipapo, dies und das – dass hier am Ende Millionen übrig bleiben, ist ein ökonomisches Kunststück der Sonderklasse.

Doch jetzt gehts zunächst mal in heißere Gefilde: Nordafrika.

Zuerst nach Tunesien: Traditionell war dieses nordafrikanische Land eng mit Italien verbunden. Politische Wirren hatten viele Italiener zur Auswanderung bewogen, aber enge Bande blieben bestehen.

Und solche Verbindungen sind nur allzu oft auch krimineller Natur. So arbeiteten die italienischen und tunesischen Behörden zusammen, als es darum ging, 2021 einen italienischen Mafia-Boss zu verhaften, der sich seit 2011 in Tunis versteckt hielt und von Interpol wegen Drogenschmuggels gesucht wurde. Das italienische „Institute for International Political Studies“ (ISPI) stellte dieses Jahr fest, dass kriminelle Netzwerke in Tunesien und Libyen für einen großen Teil des Menschenschmuggels nach Italien verantwortlich und auch aktiv in Drogenhandel involviert seien. Diese kriminellen Netzwerke wiederum haben enge Verbindungen zur organisierten Kriminalität in Italien. Und diese wiederum hat auch ihre „Niederlassung“ in Marokko. Der dortige Justizminister und sein italienischer Kollege kamen 2018 überein, dass man in der Bekämpfung dieser Banden enger zusammenarbeiten wolle. Denn vor allem die italienische Camorra sei aktiv im Gewerbe des Drogenschmuggels von Marokko nach Spanien aktiv, außerdem in den lukrativen Bereichen Geldwäsche, Erpressung und Mord.

Zusammengefasst: Die italienische Mafia arbeitet eng mit kriminellen Banden in Marokko und Tunesien zusammen.

Das hat direkte Auswirkungen in Spanien . Denn der größte Teil der Drogen, die von Spanien aus den europäischen Markt überschwemmen, kommt aus Marokko. Allein an der Costa del Sol, einem Küstenabschnitt bei Málaga, zählt der spanische Geheimdienst 113 kriminelle Vereinigungen, die sich dieses lukrative Geschäft teilen.

Für die Polizei ist es mitunter ein Kampf gegen Windmühlen. Man verhaftet Mitglieder einer Bande, doch das so entstandene Loch wird gleich wieder von einer anderen gestopft.

Erst vor kurzem konnte ein kriminelles Netzwerk ausgehoben werden. Es schmuggelte Syrer in den Sudan, wo Arévalo  ja angeblich so wunderbar im Straßenbau aktiv war.

Vom Sudan ging es weiter in die Türke, dann nach Griechenland, von dort nach Spanien. Endgültige Destination wären Frankreich, Belgien, Deutschland und Norwegen gewesen. Beim Zerschlagen dieses Ringes fielen den Beamten zwei Schnellboote, sechs Fahrzeuge, elektronische Geräte, Drogen, Kraftstoff, 42 Mobiltelefone und zwei Satellitentelefone, über 500 000 EUR in bar und Dokumente in die Hände.

Nichts im Vergleich zur zweitgrössten Polizeiaktion auf spanischem Boden, die im Juni 2020 in Huelva, einem malerischen Küstenort in der Nähe Sevillas, über die Bühne ging:

Über 400 Beamte verhafteten in der Operation „Colón“ mehr als 30 Personen, die direkt und indirekt zu Schmugglerbanden gehören. Menschenschmuggel, Waffen, Drogen – alles gehörte ins Repertoire der Bande.

Angefangen hatte die spektakuläre Aktion damit, dass der Geheimdienst einen Drogentransport entdeckte und fortan die Schmuggler überwachte. Die Observation lief über Monate, und am 23. Juni 2020 schlugen die Behörden zu. Die Ermittlungen sind nach wie vor am laufen, es gab seither zahlreiche weitere Verhaftungen.

Und damit landen wir wieder bei unserem schönen „Mister Sevilla“ von 2005: Zwei Jahre, nachdem die Operation „Colón“ gestartet war, im Juni 2022, klickten bei César Arévalo die Handschellen: Er hatte sein Tankstellen-Netzwerk dafür benutzt, die Drogenschmuggler mit Benzin zu versorgen sowie deren schmutziges Geld zu waschen. Und so wurde plötzlich klar, woher er all seine Millionen hatte.

Kapitel 5: Mit Crypto-Abzocke zur Geldwäsche

Kennen Sie Denis Monighetti? Er könnte ein Lied über das üble Tun der Verbrecher im Internet singen, auch wenn er eigentlich weniger der gesanglichen Kunst zuzuordnen ist, sondern als Violinist seit 2008 im Schweizerischen „Orchestra della Svizzera italiana“ spielt, also dem „Orchester der italienischen Schweiz.“

Denn: Diverse Betrüger benutzen seinen Namen und eine Kopie seines Passes, um ahnungslose Opfer gnadenlos abzuzocken.

Konkret geht es um die Domains „vipcoin.ch“, „coinwert.co“ und „cryptokasse.co“.

Über diese Internet-Seiten wurden bisher hunderte Personen betrogen, und jedes mal erklärten die Betrüger, dass Monighetti und eine andere, fiktive Person hinter den Firmen stünden, welche die Websites betreiben. Es ist offensichtlich: Die Hintermänner dieser Betrügereien versuchen alles, um nicht erwischt zu werden.

So behauptet beispielsweise cryptokasse.co, dass hinter diesem Finanz-Portal die Schweizer Firma Cryptokasse-Finanzportal GmbH stecke, lauschig beheimatet an der Avenue Des Morgines 12 im schweizerischen Lancy.

Dort befindet sich zwar ein „Business Center“, von besagter Firma jedoch lässt sich keine Spur finden – weder im Firmenregister noch an den Türklingeln. Und die Schweizer und Österreichischen Telefonnummern auf der Homepage führen ins Nirvana.

Wie „Cryptokasse“ abzockt? Nach einem altbekannten Modell: Wer sich über die Homepage registriert, kann zuerst mal mit 250 Euro rumzocken. Blitzschnell vermehrt sich der Einsatz – ein Köder, damit die Opfer noch mehr Geld investieren. Sobald man seine vermeintlichen Gewinne abheben will, spielen die Verantwortlichen der Firma „toter Mann“.

Als Sahnehäubchen: Die Opfer mussten, angeblich, um Geldwäsche-Bestimmungen zu genügen, den Betrügern ihre Ausweiskopien übermitteln, bevor sie finanziell gemolken wurden. Die Gauner haben also in Zukunft hunderte von Ausweisen, mit denen sie jederzeit neue Betrügereien starten können.

Inzwischen ermittelt in Deutschland die BaFin gegen cryptokasse.co, in der Schweiz warnt die Finanzmarktaufsicht „Finma“ explizit vor der Firma „Coinwert-Finanzportal GmbH“, welche nach dem exakt gleichen Muster – und mit derselben falschen Adresse in Lancy – hunderte Menschen vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz um ihr sauer Erspartes Geld brachte.

Noch perfider ging dann aber die „Vipcoin Finanzportal GmbH“ vor. Die Firma – man ahnt es – gibt es nicht. Und wie auch bei ihren „Schwestern“ verschwand investiertes Geld auf Nimmerwiedersehen. Allerdings gingen die Vipcoin-Betrüger noch einen Schritt weiter. So schreibt die BaFin:

Die Finanzaufsicht ermittelt gegen die VIPCOIN-Finanzportal , die die Handelsplattform vipcoin.ch betreibt. Die im österreichischen Wien ansässige Gesellschaft wird verdächtigt, ohne Erlaubnis Finanzdienstleistungen anzubieten. Sie nimmt Zahlungen in Kryptowährung entgegen. Dafür übernimmt sie mithilfe einer Fernsteuerungssoftware die Kontrolle über die Rechner der potenziellen Opfer.“

Das bedeutet: Die Gauner können Passworte abgreifen, ganze E-Mail-Verläufe, Dokumente – schlicht alles, was auf einer Festplatte gespeichert ist, um damit in Zukunft noch mehr Verbrechen zu begehen.

Dabei scheint es offensichtlich, dass die Betrüger hier primär auf den D-A-CH-Markt (Deutschland, Österreich, Schweiz) zielen, aber auch – siehe Screenshot der Cryptokasse-Seite auf Spanisch – das Geld bei spanischen Opfern abgreifen wollen.

Und das tun sie nicht zu knapp. Online sind Berichte von Anwälten abrufbar, in denen es etwa heisst:

“Neuer Schadensfall zu VIPCOIN (vipcoin.ch) wird in meiner Kanzlei geschildert. Vermögensschaden: über 1.700,00 Euro. Der “Finanzberater” der VIPCOIN Finanzportal GmbH ist nun nicht mehr erreichbar – untergetaucht!”

“Wieder eine Investorin, die über VIPCOIN (vipcoin.ch) geprellt worden ist. Über Bitpanda wurde Kapital “eingezahlt”, insgesamt 3.000,00 Euro – aber jetzt ist das Geld weg!”

Wie hoch die ertrogenen Summen am Ende sein werden – wer weiß das schon. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen. Und leider – wie erwähnt – hinterlassen die Abzocker kaum verwertbare Spuren, welche ihre wahre Identität offenbaren würden. Wäre da nicht… ein klitzekleiner Hinweis: Die vorgeblichen Kundenbetreuerinnen von Vipcoin wiesen mehrmals auf eine angebliche Verbindung zu einer Schweizer Bank hin.

„Meine Finanzberaterin versicherte mir, dass Vipcoin mit der Falcon-Bank in Genf zusammenarbeite“, gibt ein Geschädigter zu Protokoll, und ein anderer meint: „Alle Einlagen seien durch die Genfer Falcon abgesichert. Das wurde mir am Telefon erklärt, ich habe es in meinen Notizen.“

Wer sich schlau macht, findet tatsächlich eine „Falcon Bank“ in der Schweiz, die offensichtlich auch mit Crypto-Währungen arbeitet. Einziger Schönheitsfehler: Bei der Falcon-Bank weiß niemand irgend etwas von „Vipcoin“ oder den anderen „Firmen“ – weder beim Hauptsitz in Zürich noch in der Genfer Filiale.

Rekapitulieren wir. Es gibt:

  • Vipcoin
  • Kunden im deutschsprachigen Europa
  • Kunden in Spanien
  • Eine Firma „Falcon“ in Genf

Das mögen Zufälligkeiten sein. Aber folgt man den einzelnen Spuren, gelangt man zu einem Geflecht der organisierten Kriminalität, in deren Mitte ein Schweizer Geschäftsmann sitzt, wacker die Fäden zieht und jene, denen die Polizei auf der Spur ist, erbarmungs- und hemmungslos unter den Zug (lies: In die Fänge der Justiz) wirft.

Mehr noch: All die oben geschilderten Fälle, Tanniveld und Al-Khleifat, die Drogenmafia in Spanien und die Betrügereien mit Crypto-Anlagen: Sie alle führen zu einer Bande in der Schweiz, die bis heute unbehelligt geblieben ist.

Die Kreativität der Geldwäscher ist beinahe unerschöpflich, mit immer neuen Methoden versuchen sie, die Herkunft illegaler Gelder zu verschleiern.

Hier ein paar Beispiele, die wir schon kennen:

  • Eine Firma behauptet, in große Immobiliengeschäfte investieren zu wollen, mit undurchsichtigen Geldgebern im Hintergrund. Später dann sollen Kredite vermittelt und mit Mafia-Geld über internationale Kanäle zurückgezahlt werden, bevor man sich angeblich ins Cryptowährungs-Business begibt, wo die Gelder prima in einer Waschmaschine verschwinden können.
  • Ein Firmengeflecht in den USA geht eine Partnerschaft mit dubiosen, nicht-existierenden Firmen in der Schweiz ein, die allesamt offensichtlich von einem kriminellen Diamantenhändler kontrolliert werden. Bargeld und Crypto können so verschoben werden, und um die Geldflüsse noch weiter zu verschleiern, kann jederzeit eine dubiose “Universität” zwischengeschaltet werden.
  • Ein Tankstellen-Netz, bei dem man Millionen in kleinen Scheinen in die Geldmaschine stecken kann, um Geld zu waschen. Damit das nicht auffällt, wird das “gekaufte” Benzin ein zweites Mal verkauft: An die Drogenmafia.
  • Schliesslich VIPcoin und Konsorten:  Hier braucht es für die Geldwäsche nicht mal mehr eine Firma, sondern lediglich eine Homepage und etwas Werbung. Senden tausend Menschen ihr Geld und verlieren es – geschenkt. Wichtiger sind diese fiktionalen “Handelsplätze” für Geldwäscher, die Kleinbeträge via Bank, Kreditkarte und Cryptowallets dorthin senden können. Das Geld landet bei anderen Cryptobörsen, wird hin- und hergeschickt und landet schließlich als  Bargeld bei den Verbrechern, welche die Wäsche in Auftrag gegeben haben.

Da sind dann schnell mal Gewinne im mehrstelligen Millionenbereich möglich. Dafür scheint es sich zu lohnen, ein Risiko einzugehen, bei dem viele Jahre Knast immer Bereich des Möglichen liegen.

Nur ein Beispiel aus Großbritannien: Da wurden wertlose Firmen von Geldwäschern an die Börse gebracht – es waren sogenannte „Penny Stocks“, also Aktien, die im Cent-Bereich gehandelt wurden. Nun konnten die Gauner Schwarzgeld in kleinen Tranchen in diese Aktien investieren, gleichzeitig wurden ahnungslose Investoren gesucht, welche ebenfalls die eigentlich wertlosen Penny-Stocks kauften. Fazit: Der Aktienpreis des wertlosen Unternehmens stieg, die Geldwäscher verkauften ihre Anteile, der Kurs stürzte ab – nur die Kleininvestoren blieben auf ihren Verlusten sitzen. Die einzelnen Geld- und Wertpapier-Bewegungen zu untersuchen– es handelte sich um Millionen – , hätte die Ermittlungsbehörden Jahre gekostet, die Verfahren vor Gericht wären irgendwann verjährt oder im Sand verlaufen. Macht man dies mit zahlreichen Firmen, kann man enorme Summen an Schwarzgeld mit einem kleinen Verlust wieder in den normalen Finanzkreislauf einspeisen.

Seit Jahren arbeite ich als Journalist für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Berichte über Geldwäsche sind dabei ein undankbares Thema: Meist zu kompliziert, nicht sonderlich spektakulär, selbst altgediente Redakteure nölen und monieren, dass “der Durchschnittsleser” das alles nicht verstehe. Auch für Ermittlungsbehörden ist es eine undankbare Arbeit, die vor Gericht häufig in Freisprüchen münden. Nicht, weil die Täter unschuldig wären, sondern weil die Beweisführung in komplexen Geldwäschefällen dermaßen schwierig ist, dass es manchmal unmöglich ist, die Taten einzelnen Tätern zuzuordnen.

 

 

Kapitel 6: Von Ratten und Öl-Kanistern

In Spanien sind nicht alle gut auf den “Sultan” zu sprechen.  “Er ist eine Ratte”, sagt ein Mann, den ich in Sevilla getroffen und interviewt habe. Nach dem Schlag gegen die Drogen- Waffen- und Menschenhandels-Mafia kamen einige der Verdächtigen wieder auf freien Fuß. Einer von ihnen – nennen wir ihn “Juan” –  erklärte sich bereit, einem spanischen Kollegen und mir ein Hintergrundgespräch zu gewähren.

Es ist ein sonniger Montagmorgen, als wir von ihm am Handy kompliziert durch Sevilla gelotst werden, bis wir in einer kleinen Bar an der Plaza de la Alfalfa landen. Unser Gesprächspartner zeigt auf ein Gerät an seinem Fußgelenk und lacht: “Weiter als bis hierhin kann ich nicht, sonst geht bei der Polizei der Alarm los.”

“Die spanische Polizei”, so erklärt Juan, “hat bei den Ermittlungen gegen die Mafia und ihre Geldwäscher geschlampt. Die mussten mit den marokkanischen Behörden zusammenarbeiten. Von dort gingen die Informationen direkt an die Mafia – in die Schweiz.”

Zahlreiche der Verhafteten seien deshalb nicht besonders gut auf ihren Schweizer Kompagnon aus alten Tagen zu sprechen: „Jemand hat Akten an die Polizei geliefert und sich so freigekauft“, mutmaßt Juan, und sein Anwalt wird deutlicher: „Hinter all dem steckte jemand, der am meisten Geld kassiert hat.“ Einen Namen will er nicht nennen. Nur den Spitznamen: “Der Sultan”.

Das reicht. Denn dieser Spitzname führt direkt zu einem Mann, der seit Jahren unbehelligt in der Schweiz seinen obskuren Geschäften nachgeht, ohne dass ihm die Behörden je das Handwerk gelegt hätten: Adel Soltana. Der “Sultan”.

Fangen wir mit seiner Verbindung zu Nael Al-Khleifat an. Dies ist der windige Geschäftsmann in San Diego, der sich mit Nobelpreisträgern und Politikern schmückt, in Tat und Wahrheit jedoch mit dubiosen Firmen eines noch dubioseren “Diamantenhändlers” in der Schweiz eine partnerschaftliche Verbindung eingegangen ist.

Soltana, geboren am 9. Juni 1959, kam als Tunesier in die Schweiz.

Seine ersten selbstständigen beruflichen Schritte machte  er dort mit einer Beratungsfirma: „Intraco Invest AG“, aus der Taufe gehoben 1994, später per Konkurs zu Grabe getragen. Soltanas Frau Paula wurde Aufsichtsrätin, er selber – damals noch mit tunesischer Staatsbürgerschaft – Direktor. Kaum hatte er das Schweizer Bürgerrecht in der Tasche, holte er Nael  Al-Khleifat, den umtriebigen Jordanier mit Wohnsitz San Diego, in den Aufsichtsrat. Es kann tatsächlich Zufall sein, dass er einen Kumpel aus alten Tagen ins Boot holte, ohne zu wissen, dass dieser in zwielichtige Geschäfte verwickelt ist. Allein: Der weitere Werdegang Soltanas lässt anderes vermuten.

Namen sind Schall und Rauch

Szenenwechsel. Der US-Konzern “Unicom Global” ist nicht eben ein kleiner Fisch: Selbst das US-Verteidigungsdepartment gab der Firma Aufträge, der Hightech-Konzern arbeitet eng mit IBM zusammen, kurzum: Wo “Unicom Global” drauf steht, erwartet man – naja, eben “Unicom Global”.

Nicht so in der Schweiz.

Zwar hat “Unicom Global” dort eine kleine Repräsentanz, allerdings unter dem Namen „Macro 4 AG“, ein Software-Distributor mit hervorragendem Ruf. Die Firma liegt in Thalwil am Züricher See. Schräg gegenüber, am anderen Seeufer, betreibt Soltana eine Firma.

Sie heisst – Überraschung! – „Unicom Global AG“ – behauptet allerdings, im Medizinbereich tätig zu sein. „Das ist ein altes Muster“, erklärt ein Ermittler der Züricher Stadtpolizei, „es werden Schein-Firmen mit bekannten Namen gegründet. Wer nun den Firmennamen recherchiert, landet zunächst bei der legitimen Firma, schöpft keinen Verdacht. Erst wenn das Geld weg ist, läuten die Alarmglocken. Dann ist es zu spät.“

Zusammen mit Soltana sitzt Julian Hug im Aufsichtsrat der Namensklau-Klitsche. Hug – dieser Name ist in Zürich gemäß dem Ermittler bestens bekannt. Es handelt sich um den Erben des renommierten „Musikhaus Hug“, einer ehedem nationalen Institution, die aber vor wenigen Jahren finanziell ins Schlingern kam und verkauft werden musste.

Nur wenige Wochen, nachdem die Schweizer “Unicom Global” im Firmenregister eingetragen worden war, übernahm Hug in Frankreich ein Weingut, die dort produzierten edlen Tropfen werden unter dem Namen “Château Laquirou” unter die Leute gebracht.

Soltanas Sohn Amir hingegen stampfte eine Firma aus dem Boden, die angeblich den “Betrieb von Restaurants, Bars und Betrieben der Event- und Cateringbranche” ins Auge gefasst hat, bisher aber lediglich einen schmalzig-süßen Likör namens “Chinello” auf den Markt gebracht hat. Der wird gemäß der Firmenhomepage zwar in zahlreichen Läden verkauft – ist dort aber weder vor Ort noch auf den E-Commerce-Seiten zu finden. “Jede Wette”, so der Züricher Ermittler, “dass sowohl das Wein- als auch das Likör-Geschäft reine Geldwäsche-Operationen sind.”

Immerhin betreiben Soltana senior und junior, zusammen mit Hug, noch eine Autohandels-Firma. Fahrzeuge, welche zu verkaufen wären, finden sich dort jedoch nicht auf der Homepage.

Es ist offensichtlich: Mit Produkten, die es nicht gibt, kennt Soltana junior sich bestens aus. Da ist er ganz der Papa.

Deshalb, nochmals, Szenenwechsel und Zeitreise. Diesmal nach Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort gründete ein Schweizer am 24. Juli 2017 die Firma „Aykon Value LLC“. Eine typische Briefkastenfirma, eigentlich wertlos, aber sie sollte nur wenige Wochen später, am 19. Oktober 2017, in der Schweiz eine wichtige Rolle in einem internationalen Fall von Betrug und Geldwäsche spielen.

Damals betraten drei Männer die Räume der Anwaltskanzlei „Gysi & Partner“ in St.Gallen, einer beschaulichen, barocken Stadt im östlichen Teil der Schweiz. Im Büro saß bereits Adrian Zehnder als öffentlicher Notar sowie sein Bürokollege, Rechtsanwalt Markus Thier. Dieser vertrat per Vollmacht die Firma „Aykon Value, LLC“ und gründete in ihrem Namen die Schweizer Firma „Westport Energy Lubricants AG“.

Als Aufsichtsräte wurden die drei Männer eingesetzt, die extra für diese Firmengründung in St.Gallen erschienen waren:

  • Der Spanier Eduardo Antonio Bouzon Ruiz, wohnhaft in Malaga
  • Der Italiener Alessandro Persico, wohnhaft in der Schweiz
  • Adel Soltana, inzwischen wohnhaft im noblen Schweizer Ort Küsnacht an den Gestaden des Züricher Sees.

Während der Spanier Eduardo Bouzon Ruiz zum Präsidenten des Aufsichtsrates gewählt wurde, sollte sich in späteren Jahren zeigen, wer der eigentliche Strippenzieher in diesem Grundstein eines betrügerischen Firmengeflechtes war: Adel Soltana.

Aufgabe der Firma wäre es gewesen, mit Schmieröl zu handeln. Doch bevor es soweit kommen konnte, benannte sich „Westport Energy Lubricants“ in „Onoil AG“ um. Auf der Homepage der nun umbenannten Firma ließen die Besitzer großmäulig verlautbaren:

Die Onoil AG ist eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der europäischen Mineralölbranche.“

Zu diesem marktschreierischen Auftreten stellten sie Fotos von Ölkanistern, auf denen groß das Firmenlogo prangte und die man nicht nur an Tankstellen finden sollte, sondern auch per Online-Shop kaufen konnte. Das Geschäft lief prächtig – eben: “eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der Mineralölbranche”.

Der Haken an der Sache: Dieses Öl ließ sich an keiner Tanke finden, das Produkt existierte nicht. Denn die Bilder wurden von Grafikern in Mazedonien für magere 15 Euro pro Stunde am Computer generiert. Was „Onoil“ – die 2020 in Konkurs ging – tatsächlich verkaufte, bleibt ein Rätsel – heiße Luft, das ist offensichtlich. Dienstleistungen für die Mafia? Das liegt auf der Hand, wie das nächste Kapitel zeigen wird.

Kapitel 7: Die Geldwäsche-Spinne im Firmen-Netz

Der Onoil-Deal war einfach und effizient: Schwarzgeld von “Kunden” für nicht erfolgte Lieferungen rein, gewaschene Knete raus an “Lieferanten” für Lieferungen, die nie erfolgten.

Eine Menge Papierarbeit, das wars dann schon. Im Vergleich zu anderen Deals, die Soltana und sein einstiger Kumpel, der Italiener Mirco Patera, sonst noch so durchgezogen haben, scheint dies ein kleiner Fisch gewesen zu sein.

Wir erinnern uns: Patera war schon bei der Tanniveld dabei. Und sitzt mit Vito Micoli im Aufsichtsrat von dessen “FI Advisory”. Zu dieser Firma nachher mehr Details.

Zunächst gehen wir zurück nach Spanien, zur Geldwäsche-Operation mit Tankstellen. Wir erinnern uns an den schönen César Arévalo mit dem Herzen eines Geldwäschers der Mafia.

Menschenhandel, Waffendeals und Drogenverkäufe liefen wie am Schnürchen, das Geld sprudelte nur so rein, und Arévalo benötigte immer neue und mehr Kanäle, um die Mafia-Millionen zu waschen. Adel Soltana kam ihm zu Hilfe.

In einem ersten Schritt gründete Irma Vinyes Gallardo im spanischen Malaga am 19. Februar 2013 eine kleine Klitsche ohne nennenswerten Umsatz, deren Namen sie am 28. Oktober 2015 zu „Westport Energy SRL“ änderte.

Zwischenbermerkung: Es gibt tatsächlich eine Firma “Westport Fuel Systems” in Kanada, die jedoch nichts mit Soltanas “Westport” zu tun hat. Es ist das Muster, das er und Julian Hug später dann auch bei “Unicom Global” angewandt haben: Nimm einen bekannten Namen und guck unschuldig, wenn du nach einer Ähnlichkeit gefragt wirst.

Zurück zur spanischen Westport respektive ihrer weiteren Geldwäsche-Geschichte:

Nachdem die spanische Firma nun den Namen “Westport” trug, kauften sich Soltana und seine Kumpanen in der Schweiz einen Firmenmantel und tauften ihn im Dezember 2015 “Westport Energie AG“. Wenig später übernahm Gesellschaft die spanische Westport-Firma . Im Laufe der Zeit soll die Firmenstruktur gemäß Homepage dann so ausgesehen haben:

Innerhalb kürzester Zeit hatte, so die Behauptung Soltanas und seiner Kumpane, die “Westport Energie AG” sechs spanische Tankstellen in Betrieb und eine Management-Gesellschaft namens “Westport Services GmbH”.

Fortan spuckte “Westport” nur noch große Töne.

Die Westport Energie AG ist eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der spanischen Mineralölbranche.”

Haben wir das nicht schon mal bei der Onoil gehört?

“Die Gesellschaft bietet Mineralölprodukte über eigene Marken in diesem hoch- und mittelfrequenten Marktsegment. Vom Hauptquartier in Zug aus werden alle wesentlichen Aktivitäten gesteuert. Zusammen mit der spanischen Tochtergesellschaft „Westport Energy SL“ stellt die Schweizer Gesellschaft eine leistungsstarke Gruppe speziell im Mineralölmarkt dar.”

Wer schon so große Töne spuckt, muss auch liefern. Und so publizierte die Schweizer Westport brav ein paar Bilder ihrer Tankstellen:

Selbst ein gut meinender Laie sieht sofort: Es handelt sich bei vier der fünf Tankstellen um solche der „Easy Fuel“. Die, wir wissen es bereits dank Ermittlungen der spanischen Geheimdienste und der Polizei, Teil eines Mafia-Geldwäscherei-Ringes waren.

“Diese Tankstellen liefen praktisch nicht”, erklärte uns Juan bei unserem Treffen in Sevilla, und fährt fort: “Aber wir mussten damals immer mehr Geld durch die Tankstellen schleusen. Manchmal so viel, dass wir unsere Autos und die Karren der ganzen Verwandtschaft während Wochen gratis betanken konnten. Es war einfach zu viel Geld da für die wenigen Tankstellen”, erinnert sich Juan lachend an die guten, alten Tage.

Die Lösung: Die Schweizer “Westport” drehte am großen Rad und investierte Geld in Liegenschaften – ein Gebiet, das damals von Geldwäsche-Bestimmungen in der Schweiz praktisch ausgenommen war. Zudem erwarb sie die „Westport Energy Lubricants“ [später Onoil], angeblich, um sie „für eine Kapitalbeschaffung“ an die Börse zu bringen. Dann kam eine Tankstellen-“Member Card” dazu, die, angeblich “wunderbar laufe”, und schließlich sollte ein Westport-Coin als Cryptowährung lanciert werden, hundert Tankstellen in Schweiz, so die Firma ganz unbescheiden, sollten folgen:

Die Westport Energie AG wird den ersten Crypto-Coin im Bereich Tankstellen und verbundene Services lancieren. Mit diesem Coin wird zum einen künftig das Bezahlen an unseren sowie an anderen Tankstellen im In -und Ausland möglich sein. Zum anderen wird sich diese Maßnahme durch eine rasche Expansion mit über 100 neuen Standorten in der Schweiz schnell refinanzieren. Mit der Einführung des Coins soll auch die sukzessive Umstellung zur E-Mobilität durch das Aufstellen von E-Tankstellen für E-Cars mit Blockchain gestützten Bezahl- und Ladesystemen erzielt werden.

Doch es kam, wir wissen es, alles ganz anders: Die spanischen Behörden ermittelten, fragten bei Kollegen in Nordafrika nach, welche die Informationen an Soltana durchstachen. “Von einem Tag auf den anderen war der Sultan weg”, erinnert sich Juan. Auf der Westport-Homepage ließ er sein Bild löschen, trat aus dem Aufsichtsrat zurück. Juans Anwalt, der inzwischen zu uns gestoßen ist, formuliert es vorsichtiger: “Ein Verräter hat mit den Behörden zusammengearbeitet, um seinen Hals zu retten. Aber es ist jemand, der am meisten abkassiert hat. Man kann heute schauen, wer von den Top-Leuten noch im Geschäft ist, und hat seine Antwort darauf, wer der Verräter war.”

Mehr. Und mehr. Und noch mehr.

Viersen, eine beschauliche Stadt in Nordrhein-Westfalen. 70‘000 Einwohner. Immerhin kann die Stadtgeschichte mit einer Heiligen aufwarten: Irmgard von Süchteln. Heilig ist sie nicht, weil sie Wasser zu Wein verwandelt hättee oder Blumenblüten streuend über die Felder geschwebt wäre, nein, viel profaner. Sie schenkte dem lokalen Erzbistum Köln eine Probstei.

Geben, so scheint es in Viersen das Motto der einzigen Heiligen zu sein, ist seliger denn Nehmen.

Karsten Thimm sah das umgekehrt. Am 10. März 2011 übernahm er die alleinige Kontrolle der „WTA-Finanz Niederrhein GmbH“ und widmete sich fortan einem Ziel: Dem Marketing für Vermögensanlagenprodukte.

Tönt toll. War aber eine gigantische Abzocke, der erst am 2. Januar 2018 durch Insolvenz-Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach ein Riegel geschoben.

Während der paar Jahre, da die „WTA-Finanz Niederrhein“ aktiv war, beschäftigte sie eine wackere Drückerkolonne, welche versuchte,  Anlegerinnen und Anlegern wertlose Aktien für teures Geld anzudrehen.

Anlegerschützer erwähnen hier vor allem drei Firmen, deren Papiere angepriesen wurden: Die „VIPCon AG“, die „F1 Function One“ sowie die „Westport Energie“.

Wie weiter oben erwähnt, eignet sich der Handel mit „Penny Stocks“ für die Geldwäsche. “Damit konnte nun mehr gewaschen werden”, erinnert sich Juan. Per Online-Shop bei Onoil, Tankstellen-Geld via Westport und nun konnten wir auch noch unsere eigenen Aktien kaufen. Die Unkosten waren minim.” Nicht zuletzt deshalb, weil zusätzlich Investoren abgeschröpft wurden.

Die „Westport Energie AG“ vertickte ihre Aktien an der Hanseatische Wertpapierbörse Hamburg. Aufgabe der „WTA-Finanz Niederrhein“ war es, die wertlosen Papiere mit aggressiven Telefonverkäufern unter die Leute zu bringen. Die „Deutsche Gemeinschaft für Anleger- und Datenschutz“ schreibt dazu:

Bekannt und eher berüchtigt wurde die WTA GmbH nachdem man vor einigen Jahren verschiedene Beteiligungen an undurchsichtigen Firmen wie der VIPCon AG, der F1 Function One, der Westport Energie und anderen an gutgläubige Anleger bringen wollte. Das Verkaufsteam um den Geschäftsführer Karsten Thimm war nicht zimperlich wenn es darum ging, die entsprechenden Produkte, die teils mit ganz erheblichen Risiken behaftet sind oder waren, als sichere Anlagen anzupreisen und unbedarften Anlegern in die Portfolios zu schaufeln. Natürlich erst nach Zahlung deutlich überhöhter Preise für meist wertlose Anteile. So mussten einzelne Kunden bereits nach kurzer Zeit massive Verluste bis hin zum Totalverlust realisieren.“

Kurzum: Westport hatte sich zu einem Geldwäsche-Vehikel der Sonderklasse entwickelt. Bis die spanischen Behörden zuschlugen. Da hatte sich Soltana bereits verzogen und den Ermittlern dicke Akten mit Namen und Beweisen abgeliefert.

Alte Kumpels “in Crime”

Eine der ersten Firmen der “Westport”-Geldwäsche-Truppe wurde Im Herbst 2014 in Zug aus dem Boden gestampft: Die „Westport Energie Holding AG“.

Soltana hielt sich dort noch im Hintergrund. Im Aufsichtsrat saß Hans Peter Wachter. Auf seine Dienste griffen die Westport-Hintermänner auch bei anderen Firmen zurück: Er tauchte später als Geschäftsführer der „Westport Services GmbH“ auf und war Mitglied und zeitweise Präsident des Aufsichtsrates der „Westport Energie AG“. Fazit: Die „Westport Energie Holding AG“ gehörte zweifellos zur Geldwäscherei-Operation aus Spanien.

Das Bemerkenswerte jedoch ist, dass diese Firma 2020 ihren Namen zu „FI Advisory AG“ änderte. Wir erinnern uns: Dort wurde ein gewisser Vito Micoli der starke Mann und sieht sich heute mit Geldwäsche-Vorwürfen von Politikern konfrontiert.

Es scheint, als habe das Netzwerk intern die Firma einfach weiter verschoben.

Soltana, Micoli, Al-Khleifat – sie alle sind seit Jahren ein Team, und alle sind sie bisher von der Justiz weitgehend unbehelligt geblieben.

Im Nachhinein ist es drollig. So schrieb ein gewisser Davide Persico als Leserbrief im Züricher Tages-Anzeiger zu einem Artikel “So erkennt man unseriöse Finanzfirmen:

Mich kontaktierte ein ebenfalls sehr aggressiver Verkäufer der Westport Energie AG. Angeblich soll man mit 6 Tankstellen in Spanien eine Rendite von über 12% erreichen. Umgerechnet auf den Aktieneinzelpreis hätten die 6 Tankstellen einen Marktwert von über CHF 30 Mio.! Ein weiteres, unseriöses Angebot, welches von der FINMA in keiner Art und Weise sanktioniert wird.“

Davide Persico muss es wissen. Er führte die Firma “Horizontas Wealth Management” in Dubai. Über die schrieben Westport und Onoil einst, dass die “renommierte Unternehmensberatung Horizontas Wealth Management“ ein Private Placement dieser beiden Firmen koordiniere.Und Zufälle gibt es: Einer der Gründer der “Westport Energy Lubricants AG” war ein gewisser Alessandro Persico.

Geldwäsche in Extremis: VIPCoin und Co

Gehen wir zurück zum Anfang: Zu den ominösen, nicht existierenden Firmen, welche die Betrugsportale “Coinwert Finanzportal GmbH”, “Vipcoin Finanzportal GmbH und cryptocasse.co betreiben.

Der Schachzug ist ideal: Die Firmen existieren nicht. Zahlt man dort Geld ein, verschwindet es auf Nimmerwiedersehen. Keine lästigen Firmengründungen, keine Spuren, welche die Geldwäsche-Ermittler weiterbringen würden.

Nun muss ich zurückspringen zu Kapitel 5 dieses Textes. Dort zitierte ich nach meiner Recherche zu diesen Betrüger-Firmen zwei Opfer:

„Meine Finanzberaterin versicherte mir, dass Vipcoin mit der Falcon-Bank in Genf zusammenarbeite“, gibt ein Geschädigter zu Protokoll, und ein anderer meint: „Alle Einlagen seien durch die Genfer Falcon abgesichert. Das wurde mir am Telefon erklärt, ich habe es in meinen Notizen.“

Und weiter schrieb ich: Wer sich schlau macht, findet tatsächlich eine „Falcon Bank“ in der Schweiz, die offensichtlich auch mit Crypto-Währungen arbeitet. Einziger Schönheitsfehler: Bei der Falcon-Bank weiß niemand irgend etwas von „Vipcoin“ oder den anderen „Firmen“ – weder beim Hauptsitz in Zürich noch in der Genfer Filiale.

Eine Sackgasse also? Nicht wirklich. Denn neben der Bank gab es andere Firmen, welche den Namen “Falcon” trugen: Die Falcon Private Equity AG” sowie die “Falkon AG”, beide in Genf. Bei beiden im Aufsichtsrat: Adel Soltana.

Doch das ist nicht die einzige Zufälligkeit. Dass die Westport ins Crypto-Business einsteigten wollte? Zufall. Dass Adel Soltanas Kumpel Al-Khleifa mit ominösen Crypto-Gesellen geschäftet? Zufall! Dass Adel Soltanas Kumpel Vito Micoli Crypto-Währungen schürft und erfolglos handelt? Zufall!

Es gibt nur Zufälle. Nix anderes.

Die Aktien dreier Firmen wurden von der WTA in Viersen gepusht:

  • Westport Energy
  • VIPCon AG
  •  F1 Function One

Zu Westport und ihrer Geldwäsche-Historie wissen wir schon einiges.

Wie sieht es aber mit der VIPCon AG aus? Dee promotete auf ihrem Internet-Auftritt einen “VIP-Coin”. “Die ständig wachsende Anzahl der User von VIPCoin, sind der Garant für das Wachstum dieser kommenden digitalen Währung“, schwadronierten die Firmeninhaber. Was hier gesagt wird: Gebt uns euer Geld, damit wir einen Coin machen, der schon viele User hat, obwohl es ihn noch gar nicht gibt.

Was aber existierte, war eine massive Telefon-Abzocke und ein paar Werbe-Videos für einen „Hitzcoin“. Als der Sohn eines Geschädigten, der Geld in diesen Hitzcoin investiert hatte, im Internet Rat suchte, beschied ihm ein User nach einer kurzen Analyse: „HZC soll ein Token sein. Ich finde weder Listings noch sonst etwas. Ihm [dem Vater] wurde etwas verkauft, was es nicht gibt.“

Kein Wunder also, ging die VIPCon hopps. Aber nicht, ohne dass sie ein detailliertes Konzeptpapier erarbeitet hätte, in welchem über einen zukünftigen VipCoin sowie eine Vipcoin Aktiengesellschaft fabuliert worden wäre. Natürlich. Alles Zufall.

Dann aber die “F1 Function One”. Ihre wertlosen Aktien wurden von derselben Drückerkolonne gepusht wie jene der „Westport“.  Und sie bewegte sich in so vielen Geschäftsfeldern, dass einem schwindlig wird:

  • Beteiligung an Bitcoin-Mining
  • Krypto-Trading
  • Anlageberatung
  • Inkasso-Dienste

Und die Firma brüstete sich, 160 Berater in Lohn und Sold zu haben und – wie Westport – wollte sie einen eigenen Coin auf den Markt werfen: “Flixcoin“. Renditeversprechen: 42% pro Jahr.

Allein: Es war alles Schall und Rauch. Angeblich sollen 2000 Leute ihr sauer erspartes Geld der Firma überlassen haben, bevor sich die Verantwortlichen auf und davon machten. Auch jene, welche auf einer Trading-Plattform der Firma versuchten, ihre Krypto-Ersparnisse zu vermehren, standen am Ende vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Das Geld ließ sich nicht mehr finden. Jegliche Ähnlichkeit mit den aktuellen Betrügern von Vipcoin, Coinwert und Cryptokasse ist – selbstverständlich! – zufällig.

Juan nippt an seinem Kaffee, als ich ihm die Dokumente zu den neuesten Betrügereien zeige. “Zufall?”, frage ich. Juan prustet los: “Zufall? Das ist genau der Plan, von dem ich gehört habe. Der kam vom Sultan!”

Kapitel 8: Daten sind schön

Seit ich diese Recherche online stellte, bekam ich zahlreiche Meldungen mit neuen Fakten, Hinweisen und Dokumenten.

Während der nächsten Wochen werde ich versuchen, diese zu verarbeiten und hier einzustellen.

Ein Daten-Journalist aus unserer Redaktion hat sich dankenswerter Weise die Zeit genommen, mal durch einen Teil der Akten zu gehen und ein Beziehungsnetz aufzuzeichnen. Denn – ich gebe es zu – all die Namen, Firmen und Zusammenhänge sind kompliziert und manchmal verirre ich mich selber in dem Daten-Wust.

Gehen wir zunächst zum ersten Bild hier:

Zunächst sieht man auf dem Bild ein grobes, weitgehend unstrukturiertes Beziehungsnetz. Beinahe alle Namen, die in den Akten auftauchen und die bisher von mir publiziert worden sind, lassen sich hier finden. Das Bild gibt zwar einen Überblick, bietet aber wenig Erkenntnis.

Aber Daten-Journalisten sind kleine Künstler. Denn aus den groben, unstrukturierten Daten hat er – man sieht es auf dem nächsten Bild – ein Beziehungsnetzwerk gezaubert, das uns klar zeigt, wer in der Geldwäsche-Mitte sitzt und mit jedem einzelnen Netzwerk verbunden ist: Adel Soltana.

Mit jedem Tag, an welchem ich weitere Fakten erhalte, wächst dieses Diagramm. Ich darf nicht damit rechnen, dass mein Kollege sich nochmal ein paar Nächte freiwillig um die Ohren schlägt, nur, um mir behilflich zu sein. Ich werde also versuchen, die nächsten Kapitel nur noch in kleineren Portionen zu halten. Versprochen!

Kapitel 9: Schall und Rauch beim Diamanten-Ram

„Prudence“ heißt Vorsicht – zu recht! Denn bei dem Gauner-Netzwerk heißt es tatsächlich: Trau, schau wem!

Die geneigte Leserschaft mag sich noch vage an das vorangegangene Kapitel 3 – „Nobelpreis in Geldwäsche“ – erinnern.

Dort kam ein ganzes Konglomerat an Firmen rund um den Kumpel von Adel Soltana, den Jordanier Nael Al-Khleifat, zum Vorschein.

Zur Auffrischung des Gedächtnisses hier seine Biographie:

“Gründer und CEO von Tally International Holdings, Inc. und Prudence Consulting Group, Ltd. sowie MD Titanium Capital LLC. Dr. Khleifat sitzt im Vorstand mehrerer Unternehmen, internationaler NGOs und nationaler Ausschüsse für Governance, Planung und Strategien. Er ist versiert in Finanzangelegenheiten, internationalem Wirtschaftsrecht, Projektmanagement und -umsetzung sowie kreativen Strategien.”

Diese Bio – auch das wurde schon erwähnt – findet sich auf der Homepage der “American University of Europe” mit Sitz in Fujairah.

Wir sehen: Al-Khleifats Firma „Prudence Consulting Group, Ltd.“ ist eine hundertprozentige Tochter der “Tally International Holdings”.

Und vor allem deshalb eine Lachnummer, weil Al-Khleifat behauptet, die Klitsche habe ein Büro in Zürich – hat sie nicht. Und weil seine „Prudence“ Ram Dalipi und seinen nicht existierenden Firmen zusammenarbeitet. Sie erinnern sich: Dalipi ist der Typ, der angeblich im Diamanten-, Fahrzeug- und Bitcoin-Handel tätig ist, aber nichts als heiße Luft produziert.

Die „Prudence Consulting Group, Ltd.“, so behauptet es Nael Al-Khleifat, sei von ihm gegründet worden.

Ram Dalipi jedoch behauptet, er sei es, welcher die „Prudence“ aus der Taufe gehoben haben.

Gauner gegen Gauner, offensichtlich.

Denn die Dokumente sagen, Suleiman Al-Khleifat habe die Firma mit einem mageren Britischen Pfund als Kapital gegründet.

Egal. Denn viel spannender ist eine weitere Firma aus dem Portfolio von Al-Khleifats Partner Ram Dalipi. Die „Black Rock Express“. Eine Werttransport-Firma, einzigartig, so Dalipi, denn er, der altgediente Diamantenhändler, sei zunehmend frustriert gewesen von den Unzulänglichkeiten bestehender Firmen. Was tut der Mann von Welt in einer solchen Situation? Richtig: Er organisiert sich Flugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge, gründet einen Betrieb direkt am Flughafen in Zürich.

Das Problem: Es gibt in der Schweiz keine „Black Rock Express AG“. Gab es nie.

Flugs änderte Dalipi die Adresse und behauptete, die Firma befinde sich in London Heathrow. Stimmt zwar auch nicht, aber wer ist schon über alle Massen pingelig? Wenn man dafür so tolle Bilder seiner eigenen Jets ins Netz stellen kann:

Tatsächlich gründeten Dalipi und sein Kumpel Tariq Khan am 9. April 2021 London die “Black Rock Express Ltd.”. Aktienkapital: 100 Britische Pfund.

Dann gaben Dalipi und Tariq Gas! So priesen sie ihr Werttransport-Geschäft an, etwa, indem sie stolz ihr neues Vehikel zeigten: Ein gepanzertes Fahrzeug, um Diamanten, Gold, teure Gemälde zu transportieren und vom Kunden Weiss-Der-Geier-Wohin zu bringen.

Sieht schmuck aus, nicht wahr? Das einzige Problem: Das Fahrzeug gehörte nie der „Black Rock Express“. Sondern der Firma „Loomis“. Dalipi hatte das Bild geklaut und ein Fantasie-Firmenlogo draufgepappt. So wie bei dem Flugzeug, das er nie hatte.

Im Jahr 2022, soviel steht fest, musste Dalipi für seine Firma einen Umsatz und Gewinn von sage und schreibe 0.00 Britische Pfund angeben.

Inzwischen, wenig erstaunlich, steht die Firma vor ihrer Auflösung.

Tatsächlich ein würdiger Partner für Nael Al-Khleifat, der, so zeigt es das nächste Kapitel, noch einiges mehr zu bieten hat.

Kapitel 10: Franz und seine braune Aktenmappe

Ein sonniger Nachmittag in Bern. Mein erster Besuch in der Hauptstadt der Schweiz: Ich irre durch das Gewirr der Gassen, bis ich endlich die kleine Kneipe finde, in welcher ich mich verabredet habe.

„Vielleicht“, so hatte Franz mir nach den ersten Kapiteln geschrieben, „habe ich da was für Sie.“ Nachdem sich einer seiner ehemaligen Kollegen in Hamburg zwischenschaltete, klappte es dann mit einem Treffen.

An einem kleinen Bistro-Tisch erwartet mich „Franz“. Ein etwas untersetzter Mann, ständig eine Zigarette zwischen den Fingern, die runter brennt, ohne dass er auch nur einen einzigen Zug an ihr genommen hätte.

„Bern“, sagt er, „Bern ist wunderschön. Aber hinter den Fassaden…“ er macht mit der Hand eine Bewegung, als wolle er eine Fliege von seinem Glas vertreiben, „hinter den Fassaden“, sagt er nun und fixiert mich, „dort ist alles verrottet.“

Franz muss es wissen. Heute ist er in Rente, aber damals, vor 40 Jahren, arbeitete er bei der Polizei in Bern, war, wie er es nennt, ein Kriminaler, ein Kriminalbeamter. Zunächst für „normale“ Strafsachen, später für Wirtschaftsdelikte.

„In den 90er Jahren kam es für uns knüppeldick. Ein Fall jagte den anderen, und die Untersuchungsrichter wollten die Fälle nur möglichst schnell abgeschlossen haben. Ja nicht in die Tiefe gehen“, erinnert sich Franz. Betrüger wie Bernhard Steck seien von Bern aus international tätig gewesen, dann sei da der Fall des Werner K. Rey gekommen – „wir hatten knapp Zeit, ein paar Akten durchzugehen, dann flog schon der nächste Fall auf unseren Tisch“, so Franz.

Der Kanton Bern – damals eben erst von einer tiefen politischen Krise erholt – wollte dem Rest der Schweiz zeigen: Bei uns gehts voran. Wir räumen auf!

Dann landete der Fall „Ulrich Wymann“ auf Franzens Tisch.

Ulrich Wymann war damals ein Notar, verdiente die für die 90er-Jahre astronomische Summe von 200‘000 Franken, war Präsident eines lokalen Fussballclubs, stellvertretender Bürgermeister, Politiker der damals noch bürgerlichen Schweizerischen Volkspartei – und er hatte sich an Klientengeldern vergriffen.

Lokale Zeitungen berichteten:

„Ex-Notar Ulrich Wymann soll Geld seiner Klienten dazu verwendet haben, Verluste aus Anlagegeschäften zu decken:

· 1995 investiert Wymann 100 000 Franken für ein Ölquellengeschäft seines Bruders. Die Investition – mit einem Darlehen finanziert – sieht er nicht wieder.

· Ebenfalls 1995 beginnt Wymann, Schuldbriefe zu verwahren. Deren Inhabern soll sein Bruder eine hohe Rendite versprochen haben. Sie belangen daraufhin Wymann. «Auf einen Schlag hatte ich 750 000 Franken Schulden», sagt er. «Die Schuldenspirale drehte sich.»

· 1996 investiert ein Berner Notar via Wymann in ein Gold- und Diamantengeschäft in Sierra Leone. Wymann haftet für die Rückzahlung der 1,1 Millionen, nachdem die Firmenbesitzer wegen «Staatsstreich» oder «Malaria» keine Rendite zahlen. Um die Investoren auszuzahlen, zweigt er Klientengelder ab.

· 1,25 Millionen Klientengelder schliesslich fliessen von 1996 bis 1998 an eine «Stiftung» im Senegal. Ein Scheich verspricht 60 Prozent Rendite, wenn mehrere Millionen investiert würden. Das Geld bleibt verschwunden.“

Franz lacht: „Wir wussten schon am ersten Tag: Diese Sache war größer als alles, was wir bis dahin überhaupt untersucht hatten. Aber der Untersuchungsrichter machte Dampf. Er wollte Wymann verurteilt und den Fall abgeschlossen sehen. Da war ein enormer politischer Druck dahinter.“

Neben sich auf dem Boden steht eine altmodische Ledertasche, dick gefüllt mit Akten, und ab und an, während er erzählt, greift Franz dort hinein, fischt zielsicher ein Dokument raus, legt es auf den Tisch, um das, was er sagt, mit Fakten zu untermauern. Denn es tönt unglaublich: „Hätten wir damals zuschlagen dürfen, existierte eine der größten Geldwäsche-Operationen der Gegenwart nicht.“

Die begann 1993, als der US-Amerikaner James Milton Bohannon im sonnigen Alabama einen Plan ausheckte. Sein einziges Ziel: Er suchte Investoren, die er gnadenlos abzocken konnte. Das Geld, so der Plan, musste dann so schnell als möglich gewaschen werden, international, außerhalb des Zugriffes der Opfer.

Bohannon machte gegen Aussen einen tadellosen Eindruck. Er war Direktor der „Colonial Bank“, später kontrollierte er offiziell zwei Firmen, die „Jajv, Inc.“ sowie die „Real Estate Insurance Services“

Die perfekte Tarnung.

In der Schweiz hatte der Tunesier Adel Soltana inzwischen mit seiner Frau das Unternehmen „Intraco Invest“ gegründet. Dieses lief mehr schlecht als recht, aber als er – über Umwege – den Geldwäsche-Auftrag von Bohannon in Sichtweite sah, zog sein Unternehmen am 24. März 1994 vom Kanton Aargau in die Jurisdiktion eines anderen Kantones: Zürich. Der Zweck der Firma wurde geändert, und ein neuer Mann wurde als Aufsichtsrat und Generaldirektor eingesetzt: Nael S. Al-Khleifat.

Al-Khleifat wiederum war ein enger Kumpel von James Milton Bohannon. Dieser gründete nun am 11. August 1995 in Kanada die „North George Capital Management Limited“, eine Briefkastenfirma, der noch eine handvoll weiterer folgen sollten.

In amerikanischen und kanadischen Gerichtsunterlagen ist detailliert nachzulesen, wie Bohannon um Investoren warb. Die Firmen hatten nichts zu bieten außer leerer Gewinnversprechen, die Bohannon und Al-Khleifat im Brustton der Überzeugung mantramässig  bei potentiellen Investoren wiederholten. Kam dann Geld rein – es flossen Millionen – musste dieses gewaschen werden.

Um bei der Geldwäsche alle Spuren zu verwischen, „investierte“ Bohannon die ergaunerten Millionen bei dem Schweizer Notar Ulrich Wymann, damit dieser das Geld in dubiose Gold-, Erdöl und andere Geschäfte der krummen Art reinpumpen konnte. Was Wymann nicht wusste: Diese Firmen, bei denen er den größten Teil der des Geldes verlor, standen ebenfalls unter direkter oder indirekter Kontrolle von Adel Soltana, Nael S. Al-Khleifat oder Bohannon.

Andere Investments Bohannons liefen danach teilweise über den Pakistani Durbar Saif Mohammed. Der wiederum hatte den Schweizer Jürgen Rothen angestellt, welcher wiederum mit Ulrich Wymanns Bruder zusammenarbeitete. Es war ein typisches „Ponzi Scheme“: Investoren butterten Geld rein, das Geld neuer Investoren wurde verwendet, um den ersten Investoren „Zinsen“ zu bezahlen – und irgendwann krachte alles zusammen.

Durbar Mohammed wurde am 5. Juli 1998 in Calais verhaftet, kam jedoch knapp ein Jahr später in Paris frei, reiste nach London, und seither sind er und ein großer Teil des ergaunerten Geldes verschwunden.

„Verschwunden ist gut“, lacht Franz. „Wir Kriminaler wussten genau, wo das Geld war und bei wem wir hätten suchen müssen. Da waren Adel Soltana, Nael S. Al-Khleifat. Da war Adel Soltanas Verwandtschaft in Tunesien. Die steckten alle bis zur Halskrause dort drin. Aber wir mussten den Fall abschließen. Denn hier in Bern werden die Untersuchungsrichter gewählt. Dauern die Fälle zu lange, könnten sie abgewählt werden.“

Das absolut Unglaubliche an dieser Geschichte: Bei der Klage gegen Wymann trat Bohannon mit seinen Firmen sogar als Opfer auf – schließlich hatte er das ergaunerte Geld ja bei Wymann deponiert. Und jetzt war es weg.

„Ich und meine Kolleginnen und Kollegen waren total frustriert. Klar: Wymann wurde verurteilt. Aber die großen Fische, die schwimmen immer noch!“

Reden wir hier von Korruption?, frage ich.

„Korruption? Schauen Sie sich doch mal den Untersuchungsrichter an! Der urteilt heute arme Moneymules ab, beklagt sich in der Presse, dass er keine Unterstützung von den russischen Behörden bekomme, und legt Ende Jahr seine Erfolgsstatistik vor. Lachhaft!“

Also keine Korruption?

„Korruption gibt es in der Schweiz nicht“, lacht Franz. „Das läuft subtiler. Genau so, wie Sie geschrieben haben. Soltana etwa: Weshalb fühlt er sich in der Schweiz sicher? Weil er immer wieder dann, wenn es heiß wird, das Geld ins Ausland transferiert und kleinere Gruppen von Geldwäschern, die für ihn arbeiten, den Untersuchungsbehörden ausliefert. Das nennt man nicht ‚Korruption‘, sondern ‚gegenseitige Hilfe‘“, meint Franz resigniert.

„Inzwischen sind wir so weit, dass die Behörden nur noch zuschauen. Käme ans Licht, wer alles meiner Ex-Kollegen seine Erfolgsbilanz nur dank Hinweisen von Soltana aufpoliert hat, wäre im Kanton Zürich die Hölle los!“ Und Soltana müsste sich gegenüber seinen Gauner-Kollegen erklären. „Das“, so lacht Franz, „könnte für ihn sehr unangenehme Folgen haben.“ Aber heute lasse man Soltana gewähren. „Jeder Fall“, so Franz, „der Soltana betrifft, hätte sofort internationale Rechtshilfe-Ersuchen, Arbeit, Kosten zur Folge. Ein politisches No-Go in einer Schweiz, deren Justizsystem schon heute mit über 100‘000 offenen Fällen zu kämpfen hat.“

Seit er damals am Fall von Ulrich Wymann gearbeitet hatte, blieb Franz in seiner Freizeit dran. Von Kollegen in Übersee erhielt er Unterlagen, sammelte Zeitungsartikel, bekam Kopien von Untersuchungsakten. „Egal, welche kriminelle Organisation wir heute weltweit anschauen: Es gibt beinahe keine, die bisher nicht auf die Dienste von Soltana und seiner Kumpels zurückgegriffen hätte. Geldwäsche für Drogen- und Menschenhändler, für Wirtschaftskriminelle, für internationale Schlepper und Terroristen – alles lief über Zürich“, ärgert sich Franz.

„Hätten wir damals so zuschlagen können wie wir wollten, ganz am Anfang, die Welt wäre heute besser“, resümiert Franz. Und mit einem Unterton der Verzweiflung sagt er: „Wymann war nicht unschuldig. Dass er im Gefängnis landete, war nur richtig. Auch Bohannon hat seine Zeit hinter Gittern mehr als verdient. Aber wenn ich Flüchtlinge sehe, die im Mittelmeer ertrunken sind, Männer, Frauen, Kinder, Säuglinge, muss ich jedes Mal daran denken, wer an diesen Tausenden Toten verdient: Soltana, Al-Khleifat, all diese Gauner. Es macht mich krank!“

Es ist Abend. Mein Zug nach Basel fährt bald los, von dort geht es weiter nach Frankfurt. Franz verabschiedet sich, nachdem wir noch lange über Gott und das Elend dieser Welt gesprochen haben. Er steht auf, verschwindet um die Ecke. Erst jetzt sehe ich, dass er die braune Ledertasche neben meinem Bein deponiert und liegen gelassen hat. Im Zug studiere ich einige der Akten. Ich denke, es folgen noch einige Kapitel.